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Wie ein Stein im Geroell

Wie ein Stein im Geroell

Titel: Wie ein Stein im Geroell
Autoren: Maria Barbal
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symbolisches – Grab bekommen, damit die noch Lebenden endlich von ihnen Abschied nehmen können.

Postskriptum: Maria Barbals unverzichtbare Generation
    Als im Januar 1939, nach drei langen, zermürbenden Kriegsjahren, die Francotruppen in Barcelona einmarschierten, in dieses Barcelona, das sich zur Hauptstadt eines konföderierten, quasi unabhängigen estat català erhoben hatte, schafften sie nicht nur – wie überall sonst auch – alle elementaren Freiheiten und demokratischen Rechte ab. Die mit der Kulturpolitik beauftragte Falange, einer von Franco domestizierten faschistischen Partei, hatte die im Zeichen eines gesamtspanischen Nationalismus seit jeher tradierte Vorstellung, daß es in einem Reich nur einen Gott, nur ein Schwert und auch nur eine Sprache geben darf, zum Leitgedanken ihrer kulturellen Neuordnung qua Gleichschaltung Kataloniens erhoben. Die Voraussetzungen dafür schienen durchaus gegeben zu sein. Die katalanistisch gesinnte politische Elite war tot, im Gefängnis oder im Exil. Auch die intellektuelle und künstlerische Avantgarde hatte Katalonien verlassen müssen: Ihr galt nicht nur die Haßtirade «¡Muera la inteligencia!» («Tod der Intelligenz!»), die der General Millán Astray in Salamanca den Studenten entgegengeschleudert hatte und die ganz Spanien zu einem kulturellen Friedhof werden ließ, sondern auch die tiefverwurzelte Abneigung der Diktatur gegenüber dem Katalanischen als Sprache der Separatisten, als Sprache derjenigen, die angeblich die sakralisierte Einheit Spaniens mit jedem katalanischen Wort, mit jedem auch noch so banalen katalanischen Satz unterwanderten. Der öffentliche Gebrauch des Katalanischen wurde alsbald verboten und unter Strafe gestellt. In der Schule durfte es nicht mehr gelehrt werden, selbst auf dem Schulhof war es tabuisiert. Nicht einmal Visitenkarten durften auf Katalanisch gedruckt werden. Aus Pere wurde Pedro, aus Joan wurde Juan. «¡Sea patriota, hable español! » («Sei ein Patriot, sprich Spanisch!») Dies war das drohende Motto der Sprachenpolitik der Sieger, die es, wie Unamuno vorhergesagt hatte, zwar zu siegen, jedoch nicht zu überzeugen verstanden: «¡Venceréis, pero no convencereis!».Die franquistische Besatzungsmacht versuchte, die Geschichte Kataloniens neu zu schreiben, indem sie Straßennamen änderte und hispanisierte, Statuen abmontieren ließ, der Stadt einen kollektiven Verdrängungsprozeß verordnete. Bis zum Tod des Diktators, der bekanntlich recht schnell zur vielbestaunten Selbstdemontage des Regimes führte, fast vierzig Jahre also blieb diese repressive Sprachenpolitik im wesentlichen bestehen, wenn auch die stets argwöhnische Zensur in zunehmender Weise unterwandert und überlistet wurde. Durfte man in der unmittelbaren Nachkriegszeit nur Frömmigkeitsliteratur, Märchenbücher und mittelalterliche Klassiker auf Katalanisch verlegen, wurden in den darauffolgenden Jahren die Bestimmungen allmählich gelockert und das Veröffentlichen zeitgenössischer Texte wieder erlaubt. Diese bis zuletzt kleinmütige, ja zweifelhafte Liberalisierung darf aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß das Francoregime nie von seinem Ziel abgerückt ist, Katalonien auch sprachlich zu hispanisieren und die katalanische Kultur in die Folklore und in die Museen zu verbannen. Alle in der Nachkriegszeit geborenen Katalanen waren durch den Franquismus in dem Glauben erzogen worden, ihre Muttersprache, das Katalanische, sei angesichts einer vollkommenen spanischen Norm nichts als ein bloßer, minderwertiger Dialekt und daher unfähig, Träger einer Kultur zu sein. Wenn sie sich dennoch für diese Sprache entschieden und sie mündlich gebrauchten, so geschah dies jedoch ohne Kenntnis der schriftlichen Tradition.
    Die heutige katalanische Literatur, die im letzten Vierteljahrhundert durch die Einführung des Katalanischen als Unterrichtssprache in Schulen und an Universitäten ein breites Lesepublikum hat gewinnen können, ist zu einer im positiven Sinne des Wortes «normalen» europäischen Literatur geworden – und zudem zu einer besonders lebendigen, konnte sie doch ihren vom Bürgerkrieg jäh unterbrochenen Elan wiederfinden, den sie bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren gezeigt hatte. Dies alles aber wäre nicht möglich gewesen, wenn es nicht jene Generation von katalanischen Schriftstellern gegeben hätte, die sich nach dem Krieg, sei es im Exil, sei es im Lande selbst, trotz des Franquismus und einer übermächtigen
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