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Wie ein Stein im Geroell

Wie ein Stein im Geroell

Titel: Wie ein Stein im Geroell
Autoren: Maria Barbal
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von dort oben wird, dann ist da niemand, dem ich sie erzählen kann, und allen ist es lästig, daß aus diesem Abend in Barcelona ein Stück Abenteuer aus einer vergessenen Bergwelt werden soll.
    Barcelona, das ist mehr und mehr zu begreifen, daß es besser ist zu schweigen. Bis sie mich irgend etwas fragen.
    Barcelona in der Nacht, das ist jeden Tag eine Flucht. Sie beginnt mit einem langgezogenen Geräusch des Aufzugs, und sie galoppiert durch Wälder und über schmale Pfade. Irgendwo dort oben bleibt sie stehen und lauscht den Glocken. Festtagsgeläut, Rosenkranz …, erst wenn die Totenglocken läuten, kann ich einschlafen, und meine Träume sind dann lange Gespräche, die ich wach mit niemandem führen kann. Ganz oft ist das so, bis ich mit einem Lächeln aufwache oder vor Lachen fast lospruste wegen irgend etwas,worüber wir gerade gesprochen haben.
    Manchmal ist Barcelona jemand aus Pallarès, der herunter in die Stadt gekommen ist, um zum Doktor zu gehen, und der einen schwachen Geruch nach Kuhmist oder Heu mitbringt, obwohl er sich doch gründlich gewaschen hat. Aber vielleicht schleppt er irgendwo unter seinen Fingernägeln oder in seinem Haar doch noch ein wenig von diesem Geruch nach Alltag mit sich herum, der mich so froh macht. Und dann frage ich nach allen, nach jeder Familie, die im Dorf geblieben ist, und nach allem, was mir in den Sinn kommt. Wenn jemand zu Besuch kommt, dann fallen sie mir nicht ins Wort. Manchmal machen sie sich ein wenig lustig über das, was ich sage. Das ist auch eine Art, wichtig zu sein, wo du doch genau weißt, daß du eine nutzlose, alte Frau geworden bist.
    Barcelona, das ist für mich etwas sehr Schönes. Die letzte Stufe vor dem Friedhof.

E IN L EBEN , SO LANG
    Anmerkungen zu einem katalanischen Klassiker der Gegenwart
    Pedra de tartera ist mein erster Roman.
    Mit ihm wollte ich einem der vielen namenlosen Menschen eine Stimme geben, die wie ein Stein im Geröll der Geschichte mitgerissen wurden.
    Maria Barbal
    Allzu selten liest man einen Roman, der sich in so konsequenter Weise bis zur letzten Zeile treu bleibt. Und allzu selten liest man auch einen Roman, der auf so uneitle Weise nur wahrhaftig sein will, nur diese eine Geschichte erzählen möchte, einfach weil sie erzählt werden muß, und sei es nur, wie mancher Kritiker meinte, um uns daran zu erinnern, was für eine kluge, nachdenkliche und schöne Tätigkeit das Schreiben doch sein kann. Maria Barbal hat uns mit ihrem Erstlingswerk einen solchen Roman geschenkt: Es sind kaum mehr als hundert Seiten, doch erzählen diese Seiten von einem ganzen, langen Leben.
    Eine alte Frau wartet auf den Tod, und sie erinnert sich. Sie erinnert sich an ihre Kindheit und Jugend in einem abgeschiedenen Bergdorf in den katalanischen Pyrenäen, an ihr Elternhaus, das sie mit dreizehn Jahren verlassen muß, um bei Onkel und Tante zu leben, die sie kaum kennt. Sie erzählt von einem harten und entbehrungsreichen Leben, das bestimmt wird vom Lauf der Jahreszeiten, von der Arbeit auf den Wiesen und Feldern, aber auch von den kleinen alltäglichen Freuden, von den Besuchen der Vettern aus Barcelona, von Dorffesten, aber vor allem von Jaume, der einzig und allein auf der Welt zu sein scheint, um ihr all ihre Ängste zu nehmen. Und der immer ein Lächeln auf den Lippen hat und ihren Namen, Conxa, den Namen von etwas ganz Winzigem und Süßem. Conxas Ehe mit Jaume, das sind gute Jahre, die schönste Zeit ihres Lebens. Drei Kinder werden geboren, und ein Sommer wie der andere zieht ins Land, mit all der Arbeit, mit all den Sorgen, aber auch mit all den kleinen Glücksmomenten. Barcelona liegt weit entfernt. Conxa hat davon gehört, und auch vom Meer, sogar von Madrid, vom König, doch das kommt ihr so unwirklich vor wie eine dieser Geschichten, mit denen der Vater sie als Kind verzaubert hat. Und wenn Jaume ihr von den Dingen da draußen erzählt, von der Republik, von der Gerechtigkeit, vom freien Willen des Volkes und seine Augen dabei so leuchten, dann empfindet sie vor allem Angst, Angst davor, die Welt könne ihr ins Wanken geraten. Was dann aber geschieht, übertrifft ihre schlimmsten Befürchtungen, denn der Sieg der Faschisten ist nicht nur eine kollektive Tragödie, sondern zerstört unwiederbringlich auch ihr privates Glück. Jaume wird erschossen und in einem Massengrab verscharrt, und Conxa muß fortan ein Leben ohne Jaume leben, einfach weiterleben für ihre Kinder. Fast unbemerkt vergeht die Zeit, als wäre alles ohne
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