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Wie ein Stein im Geroell

Wie ein Stein im Geroell

Titel: Wie ein Stein im Geroell
Autoren: Maria Barbal
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spielten, hieß es, wir Kinder würden alles durcheinanderbringen. Stocherten wir mit dem Schürhaken zwischen den Töpfen auf dem Herd herum, wurden wir fürchterlich gescholten, und alle sprachen von irgendeinem Unglück, und wenn wir einen Stein oder ein Stück Holz zum Spielen nahmen, wurden wir geschimpft, wir hätten bloß Unsinn im Kopf. Nur wenn wir beim Melken geholfen haben, beim Kartoffelschälen, beim Brennholzholen, dann waren wir auf der sicheren Seite. Doch mußtest du dafür schon größer sein. Und eine Scheibe gebratenen Speck oder ein Schluck Wein aus dem porró hast du dann trotzdem nicht bekommen, denn dafür warst du ja noch zu klein.

V om Küchenfenster sah das Dach der Sarals aus wie ein großer Glockenturm, und die Dachziegel glänzten wie kleine Spiegel. Es hatte aufgehört zu regnen, und während Mutter ein grobes Leinentuch mit Asche bestreute, um die Lauge vorzubereiten, fielen einige Regentropfen von unserem Dach und zerplatzten auf der Fensterscheibe. Ich schaute zu, wie sich Rinnsale bildeten, und hörte, wie die Mutter mit derselben Geschichte noch einmal von vorne anfing. Die Tante hätte ja so gerne ein Mädchen wie dich gehabt, doch Gott hat ihr keins geben wollen. Und du siehst ihr viel ähnlicher als Maria oder Nuri. Vor allem das rötliche Haar, und du wirst es nicht glauben, aber die Tante war die Hübscheste von uns vier Schwestern, und deshalb hat sie so eine gute Partie gemacht. Auch unsere Augen würden sich ähneln, das sind die Augen deiner Großmutter, möge sie in Frieden ruhen, und die hat sie auch Tante Encarnació vererbt.
    Aber das war es nicht allein, sie brauchten einfach jemanden. Mutters Hände schichteten das Brennholz, um das Feuer anzuzünden. Und da sei es doch am besten, jemand aus der Familie habe einen Nutzen von all den Gottesgaben …
    Ich brachte kein Wort heraus und hätte doch so gerne etwas gesagt, aber als die Mutter mit einem Mal schwieg, spürte ich einen Knoten im Hals wie eine Schlinge, an deren beiden Enden gleichzeitig gezogen wird. Es fing an, weh zu tun, und dieser Schmerz ließ erst nach, als ich tief aufschluchzte. Da löste sich der Knoten wieder, und ein Sturzbach von Tränen brach aus mir hervor, und ich war so zornig, denn zu weinen war das letzte, was ich in diesem Augenblick wollte.
    Zu sagen gab es nicht viel. Ich wußte, wenn Mutter an einem Morgen ganz ruhig ihrer Hausarbeit nachging und sich die Zeit nahm, mit mir zu reden, so ganz ohne Eile, ohne mich immer wieder zu unterbrechen mit «mach dies», «hast du das schon erledigt?» oder damit, daß wir noch irgend etwas holen müßten, dann war das ein ganz besonders feierlicher Augenblick. Und solche feierlichen Augenblicke gab es bei uns nicht viele. Mutter zog ihr Taschentuch hervor und verlor sich in Erklärungen, die ebenfalls in Tränen endeten. Und so ballte sich das weiße Stück Baumwollstoff, erst durch meine und dann durch ihre Tränen, zu einem kleinen Klumpen, der nach und nach eine blaugraue Farbe annahm. Dann war es auf einmal still. Ich senkte die Augen, und in der Wärme, die sich langsam vom Feuer auszubreiten begann, wurde mir der Kopf ganz schwer, und es überkam mich eine große Müdigkeit.
    Als ich Mutter dann wieder reden hörte, tat sie das wohl schon eine ganze Weile, und ich merkte, wenn ich ihr weiter zuhörte, würde sich meine Kehle noch einmal zuschnüren. Und bevor das geschehen konnte, sagte ich kaum hörbar, daß ich ja bei Tante Encarnació leben wollte und wann sie mich denn holen kämen. Am Montag gehen sie zum Markt, und Vater und Maria werden dich dorthin begleiten.

M eine Mutter war eine Frau, die nur zwei Dinge kannte: arbeiten und sparen. Maria erzählte, daß sie bei der Geburt von Pere, unserem jüngsten Bruder, beinahe gestorben wäre. Das war ein Montag, doch schon am Freitag, wo noch nicht einmal eine Woche vergangen war, konnte keiner sie mehr dazu bringen, im Bett zu bleiben. Mit meinen dreizehn Jahren erinnerte ich mich nicht daran, jemals gesehen zu haben, daß sie auch nur einen Augenblick lang die Hände in den Schoß gelegt hätte, außer am Sonntag, in der Messe, wo sie auf der Bank vor mir saß.
    Wenn wir morgens aufstanden, war sie schon eine ganze Weile bei der Hausarbeit oder mit dem Vater und Josep aufs Feld gegangen. Und wenn wir abends zum Schlafen hinaufgingen, nutzte sie noch die Zeit, um das Frühstück für den nächsten Morgen vorzubereiten oder um aufzuräumen. Und manchmal, weil sie daran gewöhnt war, als
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