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Wie der Vater so der Tod

Wie der Vater so der Tod

Titel: Wie der Vater so der Tod
Autoren: Tracy Bilen
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»Ich sage nichts.«
    Wind kommt auf. Heiße Schokolade statt Eis wäre heute besser gewesen. Hätte ich doch nur ein Sweatshirt angezogen! Wenigstens steckt eins in meiner Reisetasche, die bald hier sein sollte. Die bald hier sein muss. Ich möchte gern den Kopf hinlegen, weil mir schwindelt, aber das geht nicht, weil ich dann Mutters Wagen übersehen könnte.
    Warum ist sie noch nicht da? Panik tanzt in mir, als hätte ich einen Springteufel verschluckt, der nicht in seine Schachtel zurückwill.
    Wo bist du, Mom?

3
Dienstag
    Bald ist außer mir niemand mehr beim Dairy Dream . Die Highschoolschüler sitzen wieder in ihren Klassenzimmern, und die wenigen Erwachsenen, die Pause gemacht haben, sind zur Arbeit zurückgekehrt. Ich spürte Mrs. Hamiltons Blick im Rücken. Wenn ich nicht gehe, ruft sie bestimmt Altman an. Das ist unser superpingeliger stellvertretender Direx. Wahrscheinlich hat sie seine Nummer in der Kurzwahl, würde zu ihr passen.
    Ich stehe auf, gehe in Richtung Schule und halte noch immer Ausschau nach dem Wagen meiner Mutter.
    Ein Ort wie Scottsfield hat das Problem, dass man nirgends in einer Menschenmenge untertauchen kann. Ebenfalls Mangelware sind Läden, in denen man sich die Zeit mit Herumstöbern vertreiben kann. Abgesehen vielleicht von dem Laden für Saatgut und Futtermittel, wo ich haltmache. Durchs Schaufenster sehe ich mir die Lecksteine an, die wir manchmal für das Rotwild in der Nähe unseres Hauses kaufen.
    »Sara?«
    Ich wende mich um. Es ist Jack Reynolds. Er steht so dicht vor mir, dass ich seinen stinkenden Atem rieche. Jack und mein Vater haben die Highschool von Scottsfield im gleichen Jahr beendet. Sie waren gute Kumpel. Und sie sind es noch immer. Jack ist ein Cop, so wie mein Vater früher in Philadelphia.
    »Hi.« Ich versuche, locker und ungezwungen zu klingen, höre aber das Zittern in meiner Stimme. Ich räuspere mich. »Wie geht es Ihnen?«
    »Ja, ja, ganz gut. Wie kommt ihr zurecht? Es ist vier Monate her, seit …«
    Mit Takt hatte Jack nie viel am Hut. »Ja, diese Sache«, sage ich. »Na ja, es ist so weit alles in Ordnung.« Wenn er das glaubt, ist er ein Vollidiot.
    »Müsstest du um diese Zeit nicht in der Schule sein?«
    Ich sehe wieder auf meine Uhr, eine alte Timex mit Sonne und Mond, die sich bewegen, während die Zeit vergeht. Eigentlich hätte ich mir das sparen können, denn ich habe eben erst einen Blick auf die Uhr geworfen und weiß genau, wie spät es ist. »Sie haben recht. Ich war zum Mittagessen beim Dairy Dream , und es ist später geworden, als ich dachte. Tja, ich sollte mich wohl besser beeilen.«
    »Solltest du wohl, ja. Bis dann.« Jack streicht sich mit den Fingern durch das fettige Haar.
    Keiner von uns rührt sich. Ich gebe vor, die Preise der Lecksteine zu überprüfen.
    »Ihr solltet solche Steine nicht für das Wild auslegen«, sagt Jack. »Einige Leute benutzen sie bei der Jagd als Köder. Hat dann mit Sport nicht mehr viel zu tun, meiner Meinung nach.«
    Dieser Idiot. Als ob wir noch Waffen im Haus hätten.
    Ich schenke ihm keine Beachtung mehr und gehe weiter.
    »Sara?«
    Ich wende mich um und lasse den Blick über den Parkplatz des Dairy Dream wandern, während ich warte.
    »Grüß deinen Vater von mir.«
    Ich erstarre. Jack grinst wie ein Wolf.
    Am Tag nachdem Dad die Freiheitsstatue zertrümmert hatte, fuhren meine Mutter und ich zur Polizeiwache in Scottsfield, um Anzeige zu erstatten. Jack nahm Moms Aussage entgegen, schrieb aber nichts auf. »Ich kenne Ray seit Langem«, sagte er. »Ein guter Kerl. Es ist ein harter Schlag für einen Mann, wenn der eigene Sohn auf diese Weise geht. Lasst ihm ein bisschen Freiraum. Versucht, ihn zu verstehen. Bestimmt kommt alles wieder in Ordnung.« Dann klopfte er Mom auf die Schulter und schickte uns nach Hause.
    Als mein Vater an jenem Abend nach Hause kam, wussten wir, dass Jack ihn angerufen hatte. Er stapfte herein und warf die Tür hinter sich zu. Mom rührte gerade mit einem Holzlöffel das Rinderhackfleisch um und wandte erschrocken den Kopf. Ich hörte auf, das Glas in meinen Händen abzutrocknen, und drückte es wie ein Baby an mich.
    »Welche Lügen hast du Jack über mich erzählt, Michelle?«
    »Ich habe nur … ich dachte …«
    Dads Gesicht war gerötet, und er hatte die Augen zusammengekniffen. »Du hast was gedacht? Dass du mich ins Gefängnis schicken wolltest? Hast du dir das gedacht? Weißt du, was mit Cops im Gefängnis passiert?« Dad ging darüber hinweg, dass er gar kein
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