Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Titel: Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
Autoren: F. Paul Wilson
Vom Netzwerk:
finden.
    Es ergreift den, der berührt,
    der Schmerz und Krankheit wegschneidet.
    Aber seine Klinge ist zweischneidig
    und kann nicht abgelenkt werden.
    Wenn du dein Wohlbefinden achtest,
    stell dich ihm nicht in den Weg.
    Behandle den Berührer doppelt gut,
    denn er trägt die Last
    des Gleichgewichts, das gehalten werden muss.
    Im Original funktioniert das Versmaß besser.«
    »Ein bisschen bedrohlich, finden Sie nicht auch?«
    »Das Lied ist ein Loblied und eine Warnung. Zweimal am Tag, für jeweils ungefähr eine Stunde, kann derjenige, der das Dat-Tay-Vao besitzt – oder von ihm besessen wird, je nachdem, wie man das sehen will –, durch Handauflegen Wunden schließen, Krebs heilen und Krankheiten verschwinden lassen.«
    Vor noch gar nicht so langer Zeit hätte Bill das als Spinnerei abgetan. Jetzt aber schwieg er und hörte weiter zu. Er tat nichts mehr so ohne Weiteres ab.
    »Das Dat-Tay-Vao ist im letzten Jahr nach Monroe gekommen und setzte sich in einem der dort ansässigen Hausärzte, Dr. Alan Bulmer, fest.«
    »Der Name kommt mir bekannt vor. Hatte er nicht eine Zeit lang eine Praxis zusammen mit Dr. Alberts?«
    »Mag sein. Jetzt nicht mehr. Und seine Praxis ist geschlossen, seit das Dat-Tay-Vao es ihm ermöglicht hat, durch Handauflegen zu heilen.«
    »Das ist es – im letzten Sommer gab es einen Artikel über ihn in People .« Er erinnerte sich daran, wie er die Zeitschrift während einer seiner Frühstückspausen an der Darnell Universität durchgeblättert hatte. »Da hieß es, er sei ein Scharlatan.«
    »Das war er nicht. Und er ist es auch nicht. Seine Heilerfolge waren echt. Er lebt jetzt mit Sylvia Nash und ihrem Adoptivsohn zusammen.«
    »Am Shore Drive, sagten Sie?«
    Glaeken nickte. »Nr. 297.«
    »Da, wo die Reichen wohnen.«
    Die alte Hanley Villa befand sich ebenfalls am Shore Drive. Bill unterdrückte ein Schaudern, als die Erinnerungen an die Schrecknisse, die er dort 1968 miterlebt hatte, wie ein fernes Gewitter durch seine Gedanken zogen.
    »Das Anwesen nennt sich Toad Hall.«
    »Nie gehört. Muss neu sein.«
    Aber als er Toad Hall sah, wusste Bill, dass es das nicht war. Nur das Messingschild am rechten Pfeiler der Einfahrt war neu. Er erkannte in dem Anwesen eine der renommiertesten Adressen im Viertel der Reichen und Berühmten: das alte Borg-Anwesen. Anderthalb Hektar direkt am Long Island Sound, umgeben von einer hohen Mauer und einem Sichtschutz aus dicht stehenden Kiefern.
    Er bog in die Einfahrt ein. Das Haus stand weit hinten, direkt am Wasser, ein Kasten mit vielen Giebeln, flankiert von Trauerweiden. Er fand es unvorstellbar, dass jemand das alte Borg-Anwesen umbenennen könnte, aber kaum hatte er den Wagen abgestellt, hörte er die salzige Brise durch die hin- und herschaukelnden Weidenzweige rauschen. Er musste zugeben, dass der neue Name vielleicht doch sehr gut passte.
    Er begleitete Glaeken zur Haustür.
    »Zum Haushalt gehören vier Personen«, sagte Glaeken unterwegs. »Mrs. Nash, Dr. Bulmer, ein vietnamesischer Diener namens Ba Thuy Nguyen und Jeffrey, Mrs. Nashs Adoptivsohn.«
    »Sie sagten gestern, wir suchen nach einem Jungen. Ist das der Junge?«
    Glaeken nickte. »Ja. Und seiner Mutter wird nicht gefallen, was ich ihr zu sagen habe.«
    »Warum? Was ist mit ihm, dass …?«
    Die Haustür öffnete sich, als sie vor den Stufen ankamen. Ein großer, hagerer Asiate ragte in der Türöffnung auf. Das musste Ba sein. Sein Alter war schwer zu schätzen: vielleicht fünfzig, vielleicht sechzig, vielleicht älter. Das Gesicht mit den hohen Wangenknochen war ausdruckslos, aber seine Augen waren aufmerksam und lebendig. Sie wanderten von Glaeken zu Bill und wieder zurück, bemerkten Kleinigkeiten, sortierten, bewerteten. Bill kannte nur einen anderen Menschen mit solchen Augen: Glaeken.
    »Meine Herren.« Er hatte einen starken Akzent. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ja, das können Sie.« Glaeken fischte eine Visitenkarte aus seinem Mantel. »Mein Name ist Veilleur. Ich glaube, Mrs. Nash erwartet mich.«
    Ba trat zur Seite und geleitete sie durch ein marmorgefliestes Foyer ins Wohnzimmer. Doo-wop tönte sanft aus verborgenen Lautsprechern. Eine Woge der Nostalgie erfasste Bill, als er »Story Untold« von den Nutmegs erkannte. Er und Carol hatten immer zu diesem Stück getanzt, bei den katholischen Tanzabenden in der Turnhalle von Unserer Lieben Frau von den Ewigen Schmerzen, nur ein paar Hundert Meter von hier entfernt.
    Bas Stimme holte ihn in die Wirklichkeit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher