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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell
Autoren: F. Paul Wilson
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Majors.
    »Zwei Einsatzgruppen müßten genügen, um einige Partisanen zu erledigen.« Kämpffer drehte sich um und trat auf die Tür zu.
    »Sie sind mehr als ausreichend.«
    Kämpffer hörte Hoßbachs letzte Bemerkung gar nicht mehr, er dachte an die kurze Meldung: Etwas bringt meine Leute um.
     
    Dinu-Paß, Rumänien
    28. April 1941 • 13.22 Uhr
     
    Major Klaus Wörmann trat an das Südfenster seines Zimmers im Turm des Kastells heran und spuckte aus.
    Ziegenmilch! Vielleicht zum Käsemachen geeignet, aber nicht als Getränk.
    Als er beobachtete, wie die weißen Tropfen gut dreißig Meter weiter unten auf die Felsen klatschten, sehnte er sich nach einem Krug mit gutem deutschem Bier. Nur eins wünschte er sich noch mehr: eine Möglichkeit, aus diesem Vorzimmer der Hölle zu fliehen.
    Aber das kam nicht in Frage. Noch nicht. In einer typisch preußischen Geste straffte er die Schultern – ein hochgewachsener Mann, größer als der Durchschnitt, eine athletische Statur. Doch die Muskeln erschlafften allmählich, und er begann Fett anzusetzen – kurzgeschnittenes Haar, so braun wie die ein wenig zu weit auseinanderstehenden Augen, Lachfalten in den Mundwinkeln. Er trug die graue Uniformjacke offen, und darunter kam ein Bauchansatz zum Vorschein. Nachdenklich klopfte er darauf – zu viele Würstchen. Wenn er unzufrieden und besorgt war, aß er auch zwischen den Hauptmahlzeiten. Je unzufriedener und besorgter er wurde, desto mehr nahm sein Appetit zu. Wenn ich nicht aufpasse, platze ich noch aus allen Nähten.
    Wörmann betrachtete das kleine rumänische Dorf auf der anderen Seite der Schlucht. Heller Sonnenschein spiegelte sich auf den Dächern. Der Ort wirkte friedlich – und dadurch unwirklich wie ein Traumbild, das irgendwie feste Substanz gewonnen hatte. Er wandte sich um, ging durch das kleine Zimmer, dessen Wände aus einzelnen Steinblöc ken bestanden. Manche von ihnen wiesen seltsame Kreuze aus Messing und Nickel auf. Der Raum enthielt insgesamt neunundvierzig. In den letzten drei oder vier Tagen hatte Wörmann sie immer wieder gezählt. Er kam an einer Staffelei mit einem fast fertigen Bild vorbei, am improvisierten Schreibtisch neben dem Fenster in der gegenüberliegenden Wand, durch das man den kleinen Hof sehen konnte.
    Unten standen seine dienstfreien Männer in kleinen Gruppen. Einige unterhielten sich leise, andere schwiegen. Alle mieden die länger werdenden Schatten. Eine neue Nacht kündigte sich an, vielleicht forderte sie ein weiteres Opfer.
    Ein Mann saß allein in einer Ecke und schnitzte mit ruckartigen, hastigen Bewegungen. Wörmann erkannte den Gegenstand, der nach und nach Form gewann: ein Kreuz. Als gäbe es nicht schon genug davon in der Feste!
    Die Soldaten fürchteten sich, und Wörmann teilte ihre Empfindungen. In der vergangenen Woche hatte sich viel verändert. Er erinnerte sich … Sie waren als stolze Soldaten der Wehrmacht gekommen, als Eroberer von Polen, Dänemark, Norwegen, Holland und Belgien. Bei Dünkirchen hatten sie einen grandiosen Sieg über die Reste der britischen Armee errungen und Frankreich in nur neununddreißig Tagen erobert. Zwölf Tage hatte es gedauert, um Jugoslawien zur Kapitulation zu zwingen. Griechenland hatte etwas länger durchgehalten: einundzwanzig Tage. Niemand konnte den deutschen Streitkräften längere Zeit Widerstand leisten: Sie bestanden aus geborenen Siegern.
    Aber inzwischen war alles anders. Erstaunlich, was sechs schreckliche Todesfälle mit der Moral meiner Männer anrichteten, dachte Wörmann sorgenvoll. Im Verlauf der letzten Tage hatte sich ihre Welt auf die Feste reduziert, auf das steinerne Grab. Sie sahen sich mit etwas konfrontiert, das sich nicht aufhalten ließ, das tötete und verschwand – um dann wieder zurückzukehren und erneut jemanden umzubringen. Dadurch verloren die Männer ihren Kampfwillen.
    Die Männer … Wörmann begriff, daß er sich selbst nicht mit einschloß. Er hatte seinen Kampfwillen in Polen verlo ren, in der Nähe von Posnan. Als die SS kam und er mit eigenen Augen ansehen mußte, was aus den sogenannten »unerwünschten Personen« wurde. Er hatte protestiert und damit nichts weiter erreicht, als daß man ihn abschob.
    Er kehrte an den Schreibtisch zurück, blieb daneben stehen und sah auf die decodierte Nachricht.
     
    SS-Sturmbannführer Kämpffer ist mit zwei Einsatzgruppen unterwegs. Halten Sie Ihre gegenwärtige Stellung.
     
    Warum ein Major der SS? Wörmann leitete eine reguläre Heeresabteilung.
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