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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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lieber ster- ben, als ihr Tausende von Jahren währendes Leben als Süchtige zu verbringen. Miriam hatte andere Erfahrungen gemacht. Das eigene Blut schützte einen vor allen Krankheiten und Schwächen. Sie hatten bloß Vorurteile gegenüber Drogen, weil Menschen gerne Drogen nah- men – und siehielten es deshalb für trivial. Aber sie hatten niemals im nach Ingwer duftenden Tanger Haschisch geraucht oder Opium im ge- mächlicheren Chiang Mai, dem letzten Ort in Asien, wo es noch ver- nünftiges, gut abgelagertes Opium gab. Sie hatten nie rauchend auf hauchzarten Seidentüchern gelegen und stundenlang auf einen hyp- notischen Deckenventilator gestarrt. In heißen, windstillen Nächten gab sie sich nur zu gern dem betäubenden Vergessen hin, das ihr ein gutes Opium schenkte. Drogen zu nehmen war hier viel ungefährlicher als in den USA. Hier tauchten keine aufgeblasenen, böse blickenden Cops auf, die mit gezückten Revolvern herumbrüllten. Oft schon hatte sie rasch irgendeine Mauer überspringen müssen, um vor diesen lästi- gen Kreaturen zu flüchten.
    Nun, all das würde sich bald ändern. Sie würde eine vernünftige Ehe- frau werden, und dafür brauchte sie keine Drogen. Sie war nicht süch- tig, also sollte es kein Problem sein.
    Sie konnte sich ihren künftigen Mann gut vorstellen, groß und schweigsam, sein längliches Gesicht, seine Haut blass wie ein Schat- ten. Sie spürte bereits seine stahlharten Muskeln, seine langen, krum- men Finger, die den Schädel eines Menschen zermalmen konnten oder gefühlvoll ihre festen Brüste streichelten. Sie atmete tief durch. Sie fühlte sich, als würde sie ertrinken und gleichzeitig gerettet wer- den.
    Der Wind schwoll an, blies zwischen den dunklen Bäumen hindurch

und kräuselte die Wasserpfützen, die wie kleine Seen auf der Straße schwammen. Die tief hängenden Wolken rasten und taumelten am Abendhimmel vorüber. Auf einem kleinen Marktplatz stimmten zwei Mädchen ein bekanntes Lied an, ohne das an ihnen vorbeifahrende samlor und den Fahrgast zu bemerken, der aus dreißig Metern Entfer- nung dem Rhythmus ihrer Herzschläge lauschte.
    Ihr Interesse an den beiden verriet ihr, dass sie langsam Hunger be- kam. Sie spürte es, das unmerkliche Nagen im Bauch und den eisigen Hauch in den Adern.
    Dies waren schlechte Neuigkeiten. Die meisten Hüter spürten ihren nahenden Hunger Tage im Voraus und konnten ihre Jagd sorgfältig planen. Sie hatte es nie planen können. Gerade noch war alles in Ord- nung mit ihr, und im nächsten Augenblick fing es an.
    Buddha sagte, es sei gut, im Augenblick zu leben. In den Vedas hatte sie gelesen, dass es nur den Augenblick gab. Ihre Spezies be- saß keine heiligen Schriften, nur Auflistungen ihrer Besitztümer. Ihre Mutter hatte ihr gesagt: »Menschen haben heilige Schriften, weil sie näher zu Gott gelangt sind als wir.«
    Sie merkte, wie die Windbrise den Geruch des samlor-Fahrers über sie hinwegblies. Sie nahm einen tiefen Zug von ihrer Thai-Zigarette und versuchte, den verführerischen Duft damit zu überdecken. Es gelang nicht. Okay, dachte sie, dann lass es eben geschehen. Sie betrachtete den schweißnassen Rücken des Fahrers. Das Problem war, dass das Hotel ihm ihre Zieladresse in Thai aufgeschrieben hatte und er nicht von seiner Route abweichen würde. Sie musste ihn in eine dunkle Seitengasse lotsen. »Sprechen Sie Englisch?«
    Er antwortete nicht. Also würde sie ihn hier mitten auf der Straße an- fallen müssen, und das war unmöglich. Man erlegte seine Beute in al- ler Abgeschiedenheit und vernichtete hinterher die Überreste der Lei- che. Selbst Miriam Blaylock befolgte diese beiden grundsätzlichen Re- geln.
    Die Haut des Fahrers spannte sich, seine Muskeln wogten hin und her. In Gedanken zog sie ihm die schwarzen Shorts und das T-Shirt aus. Sie stellte sich vor, wie sie ihn auf ein schönes großes Bett legte, vor ihr sein erigierter Penis wie ein niedlicher kleiner Ast. Sie würde ihn überall küssen und liebkosen, seinen salzigen Schweiß ablecken und mit der Nase seine intimsten Gerüche in sich aufsaugen. Der Schleim aus ihrem Mund würde, bevor sie zubiss, die Stelle an seinem Hals betäuben, und Augenblicke später würde sein köstliches Blut in ihre

Kehle rinnen.
    Sie schloss die Augen, streckte den Rücken und schnaubte seinen Geruch aus der Nase. Denk an Opium, sagte sie sich, nicht an Blut. Später würde sie eine Pfeife rauchen, um diesen verdammten Hunger zu vergessen. Sie musste warten, bis sie sich in
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