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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Garten wurde, beim Hausbau, wo sie Holz sägte und Bretter schleppte und die Dielen legte, und nebenbei hatte sie drei Kinder geboren, und nicht ein einziger Klagelaut war von ihren Lippen gekommen, auch nicht, als sie in den ersten Jahren bei glühender Sonne das Korn mit der Sense schneiden mußte. Gönnen wir ihr das ›Wolferl‹ – in dieses Wort bettete sie ihre ganze unaussprechliche Liebe.
    »Es ist wichtig, Mutter«, sagte Weberowsky.
    Er ging zur Eckbank, öffnete den kleinen Eckhängeschrank, holte eine Flasche Wodka und fünf Gläser heraus und stellte alles auf den Tisch.
    »O ja, es ist wichtig!« Gottlieb, der Jüngste, klopfte mit den Knöcheln auf den Tisch. »Vater spendiert Wodka für alle! Bauen wir eine neue Scheune?«
    Weberowsky wartete, bis alle um den Tisch saßen, goß dann die Gläser voll Wodka und überblickte seine Familie.
    Neben ihm saß Hermann, der Älteste. Er hatte Maschinenbau studiert, durfte sich Ingenieur nennen und hatte die kräftige Gestalt seines Vaters und seine braunen Augen. Das dunkelbraune Haar trug er kurzgeschnitten, als Kleidung bevorzugte er einen korrekten Anzug. Jeder, der ihm begegnete, wußte sofort: Aha! Da ist ein Intellektueller. Lange Zeit hatte ihm Weberowsky gegrollt, daß er studierte und nicht Bauer geworden war, um einmal den Hof zu übernehmen, wie es seit Generationen bei den Weberowskys üblich war. Er war aus der Tradition ausgebrochen.
    Rechts von Wolfgang Antonowitsch saß Eva, fünfundzwanzig Jahre alt, strohblond wie ihre Mutter einmal gewesen war, ein zierliches Mädchen mit langen Beinen und grünschimmernden Augen, die so gar nicht in die Familie Weberowsky paßte. Einmal hatte Wolfgang Antonowitsch einen bösen Witz gemacht, den er bis heute bereut und den Erna auch nicht vergessen hatte. Als er einmal die kleine Eva auf den Schoß nahm und in ihre grünlichen Augen blickte, sagte er zu ihr: »Ich möchte wissen, wer dein Vater ist …«
    Was danach folgte, vergaß Weberowsky sein Leben lang nicht. Wie eine Tigerin sprang Erna vom Küchenherd weg, riß ihm Eva aus den Händen, drückte sie an sich, schrie: »Von Karl Friedrich, dem Schreiner, ist sie! Jetzt weißt du es! So ein schönes Kind bekommst du ja nicht fertig!«
    Dann war sie mit der weinenden Eva hinausgelaufen in den Garten, und dort blieb sie bis zur Dunkelheit, saß auf der weißlackierten Bank und funkelte Wolfgang wie ein Raubtier an, als er zu ihr trat und verlegen sagte: »Erna, ich möchte mich entschuldigen. Ich bin ein Idiot! Es war doch nur ein Witz.«
    »Mit so etwas macht man keine Witze! Geh, ich will dich jetzt nicht hören und sehen.«
    »Komm ins Haus, Erna.«
    »Nein!«
    »Du kannst doch nicht mit dem Kind nachts im Garten bleiben.«
    »Was kümmert's dich? Es ist ja nicht dein Kind.«
    »Erna, ich habe für das Abendessen Rouladen gemacht.«
    »Ich rieche es. Sie sind angebrannt!«
    »Erna, schlag mir eine runter.«
    »Was hätte ich davon? Soll ich mein Leben lang denken: Du hast deinen Mann geschlagen? Das ist doch erbärmlich, wenn Mann und Frau sich schlagen. Dann gibt es doch keine Liebe mehr … und ich liebe dich doch.«
    »Ich möchte vor dir niederknien«, hatte Weberowsky bis in die Seele erschüttert geantwortet. »Aber ich knie nur vor Gott. Erna, komm ins Haus …« Und er hatte ihr die Hand hingestreckt und führte sie und das Kind zurück.
    Ihm gegenüber, durch den Tisch getrennt, saß Gottlieb, der Jüngste. Außer den blauen Augen seiner Mutter hatte auch er wenig von den Weberowskys geerbt. Er war von schlanker Figur, feingliedrig, schmalköpfig, mit hohen Backenknochen und immer so dreinblickend, als müsse er etwas abwehren oder auf der Lauer liegen gegen irgendeinen Angriff. In der Schule war er immer der Beste seines Jahrganges gewesen, und bei allen Befragungen hörte man von ihm nur eine Antwort: »Nur der Arztberuf kommt für mich in Frage.« Und dann, mit einem Lächeln, das niemand zu deuten wußte, selbst Erna, seine Mutter, nicht: »Wäre ich ein Tier, möchte ich ein Wolf sein.«
    »Warum gerade ein Wolf?« hatte Weberowsky einmal gefragt.
    Gottliebs Antwort war erschreckend klar: »Er ist ein Herr der Freiheit. Kein Befehl erreicht ihn, und er lebt nach seinem eigenen Willen.«
    Er war damals erst fünfzehn Jahre alt, und Weberowsky sagte zu seiner Frau: »Noch ist er ein Wirrkopf. Laß ihn älter werden, dann denkt er anders.«
    Aber Gottlieb Wolfgangowitsch dachte auch mit zweiundzwanzig Jahren nicht anders, nur sprach er
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