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Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi

Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi

Titel: Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi
Autoren: Jobst Schlennstedt
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sich auf den langen Heimweg mit Tobias im Dunkeln. Aber das brauchte Viktor nicht zu wissen.
    »Jesus kam, uns zu erlösen!«
    Wieder ein Schlag. Heiß ratschte die Schnalle über ihren nackten Arm.
    »Sag es!« Vater hob den Arm mit dem Gürtel über seinen Kopf. Er stand vor Lioba, die auf ihrem Bett saß, und wollte ihr wieder die Dämonen austreiben. Die braunen Augen funkelten in seinem hochroten Gesicht.
    Lioba biss die Zähne zusammen.
    »Sag es«, schrie Vater und schwang den Gürtel wie eine Peitsche.
    Sie trotzte dem Schmerz in der Seite, wo das Metall sich tief in ihr Fleisch bohrte. Kein Wort würde er aus ihr herausbekommen.
    »Jesus kam …« Er hob den Gürtel. Der nächste Schlag traf ihr Gesicht. Mit aller Kraft versuchte sie, die Tränen zurückzuhalten.
    »Jesus kam …!«
    Sie schlug die Hände vor die Augen, er riss sie herunter.
    »Jesus kam … sag es!«
    Er hielt ihr Kinn fest, Daumen und Zeigefinger der Linken wie ein Schraubstock, während die Rechte ihr Ohrfeigen versetzte.
    »Sag es, sag es, sag es!«
    Trotz des Schraubstocks flog ihr Kopf von einer Seite zur anderen. Auf der rechten Wange klatschte es, links dröhnte es knöchern, wenn er mit dem Handrücken zuschlug.
    Plötzlich hörte Vater auf. Ihr Kinn weiterhin im Griff, suchte er ihren Blick. Das Brausen in ihrem Kopf übertönte ein Schluchzen. Vor der geschlossenen Zimmertür stand wie immer ihre Mutter. Nachher würde sie versuchen, Lioba in den Arm zu nehmen, aber kein Wort sagen.
    »Guck mich an«, befahl Vater und riss an ihrem Kinn.
    Sie kniff die Augenlider fest zusammen.
    Abgehacktes Flüstern war zu vernehmen. Ihre Brüder, Schadenfreude im Ton. Mutters Zischen brachte sie zur Ruhe.
    Mit einer letzten Ohrfeige, die sie unvermutet traf und ihr weitere Tränen in die Augen trieb, beendete Vater die Tortur. Für jetzt. Was später kam …
    Sie öffnete die Augen und sah in sein rotes Gesicht.
    Er schaute beiseite. »Immer dein Trotz«, murmelte er. »Meinst du, ich mach das gern?«
    Lioba wappnete sich für den zweiten Teil. Von draußen war kein Laut zu hören.
    Er riss die Tür auf, schrie: »Haut ab«, und warf sie wieder ins Schloss. Lioba streckte ihren Rücken, als er zurückkam. Sie wollte aufstehen, doch ihre Beine zitterten zu sehr.
    Vater setzte sich zu ihr aufs Bett. Manuela hatte in ihrem Zimmer einen Schminktisch mit einem Stuhl davor, doch in Liobas Familie galt ein Spiegel im Schlafzimmer als sündhaft. Hier hatte man zu schlafen und sonst nichts. Nicht einmal eine Heizung hatte der Raum. Aber das warme Zimmer schützte Manuela auch nicht vor den Schlägen ihres Vaters …
    Lioba rieb über ihren Arm, wo die Gürtelschnalle eine brennende Schramme hinterlassen hatte. Vater sah ihr zu. Er atmete schwer und sagte nichts. Die Hände hatte er zwischen die Knie gepresst, als müsste er sie von weiterer Gewalt abhalten.
    Manuelas und ihre Eltern – auch die Viktors – waren zusammen aus Sibirien ausgewandert und lebten jetzt in der gleichen Christengemeinde. Alles sollte sein wie zu Hause in Russland. Sie hatten Lioba gezwungen, nach Deutschland zu kommen – warum durfte sie dann nicht leben wie die anderen Deutschen?
    Für ihre Eltern war alles, was Spaß machte, Teufelszeug. Ihre Freuden hießen Arbeit und Gebet. Doch wenn sie so leben wollten, hätten sie in Sibirien bleiben sollen. Lioba erinnerte sich genau, wie sie ihr versprochen hatten, dass sie in Deutschland viel mehr Spaß haben würde …
    Als sie ins Haus gekommen war, hatte Vater schon auf sie gewartet. Sofort hatte er gemerkt, dass sie etwas unter dem Kleid verbarg. Sie hatte das Lebkuchenherz hergeben müssen, und Mutter hatte es zerbrochen und in den Mülleimer gestopft.
    Sie hatten schon von ihrem Liboribummel gewusst. Pater Anselm von der Christengemeinde hatte sie im Autoskooter gesehen und gepetzt. Es folgten die üblichen Schimpftiraden. Valentin und Richard, beide jünger als sie, standen hinter dem Vater und feixten, und Elisabeth, die kleine Schwester, hielt Liobas Hand und drückte sich eng an ihren Rock. Lioba war froh, als der Vater sie ohne Abendessen in ihr Zimmer schickte. Wenn das alles war …
    Es war nicht alles gewesen. Er hatte sich ihre Bestrafung für nach dem Essen aufgehoben. Sie roch seine Wodkafahne – Mut angetrunken hatte er sich auch.
    Er zog seine Hände zwischen den Beinen hervor und legte sie auf die Oberschenkel. Die Adern traten hervor, unter den Fingernägeln saß noch der Gartendreck. Er legte eine Hand um ihre
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