Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi

Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi

Titel: Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi
Autoren: Jobst Schlennstedt
Vom Netzwerk:
schwang sich auf die andere Seite des Verkaufswagens, dorthin, wo normalerweise die Zapfer standen. Er bückte sich und tastete mit Zeige- und Mittelfinger am Hals des Jungen. Es war, wie er befürchtet hatte. Kein Pulsschlag.
    Er schloss kurz die Augen, atmete tief durch und erhob sich wieder. Der Kleidung nach zu urteilen hatte der junge Mann ebenfalls als Zapfer gearbeitet.
    »Was ist hier geschehen?«, fragte er noch einmal.
    Ein älterer Mann, der neben der Theke stand, sah ihn mit versteinertem Blick an. Stahlhut nickte ihm auffordernd zu.
    »Er hat sich mit einem Mal an den Hals gegriffen und ist einfach umgefallen«, erzählte der Mann stockend. »Dann trat plötzlich Schaum aus dem Mund, und seine Augen verdrehten sich. Es war ein schrecklicher Anblick!«
    »Haben Sie gesehen, was er gemacht hat, bevor er sich an den Hals gegriffen hat?«
    »Ja«, antwortete der Mann. »Ich habe kurz davor ein Bier bei ihm geordert, aber das Fass war leer.«
    »Und?«
    »Er hat das Fass gewechselt, das dauerte einige Minuten. Anschließend hat er den ganzen Schaum abgezapft. Als er fertig war, hat er noch einen Schluck probiert.«
    »Er hat einen Schluck Bier getrunken?«, fragte Stahlhut. »Und dann?«
    »Dann ist er umgefallen.«
    Einer der Ersthelfer schob Stahlhut beiseite und beugte sich über das blasse Gesicht. Geübt legte er seine Lippen auf die des Jungen.
    »Lassen Sie«, sagte Stahlhut leise. »Sie werden ihm nicht mehr helfen können.«

2
    »Hat dir die Knisterfinkensuppe geschmeckt, Junge?« Sylvia Meyer zu Oldinghaus stellte die Teller mit dem klassischen blau-weißen Landhausmuster zusammen und verließ das Esszimmer in Richtung Küche, ohne die Antwort ihres Sohnes abzuwarten.
    Jan-Hinrich Meyer zu Oldinghaus, der seinen vollständigen Namen nur zu offiziellen Anlässen und im Kreis seiner Familie benutzte, sah seiner Mutter genervt hinterher. Er hasste es, wenn sie ihn »Junge« nannte. Trotz seiner sechsunddreißig Jahre fühlte er sich in Gegenwart seiner Eltern noch immer wie ein unmündiger Teenie.
    Am meisten wurmte ihn jedoch, dass ausgerechnet sein älterer Bruder Cord, der in seinem gesamten Leben noch nie von zu Hause rausgekommen und mittlerweile in den hinteren Bereich des elterlichen Gutshauses gezogen war, eine komplett andere Wertschätzung genoss. Cord war ein Arschkriecher sondergleichen und hatte schon immer nur die Erbfolge des Hofes und Gestüts Meyer zu Oldinghaus im Kopf gehabt. Mit Erfolg. Weder Jan noch seine Schwester Isabel hatten sich ihm in den Weg gestellt, als es darum ging, wen ihr Vater Heinrich als seinen Nachfolger einsetzen wollte.
    »Und jetzt gibt’s Pfefferpottharst. Das mögt ihr doch so gerne.« Seine Mutter kam ins Esszimmer zurück und balancierte drei ausladende Teller auf den Armen.
    Sie hatte ein weiches Herz und war so ganz anders als sein patriarchalischer Vater Heinrich. Obwohl schon jenseits der siebzig, unterstützte er Jans Bruder Cord, so gut er konnte, bei der Arbeit auf dem Hof. Und noch immer versuchte er Einfluss zu nehmen, wenn es darum ging, die Geschäfte mit den Pferden und dem Getreide gewinnbringend abzuschließen. Immerhin gehörte der Hof der Familie, der zwischen Herford und Bielefeld lag, zu den größten Pferdegestüten und Ackerbaubetrieben der Region.
    Heinrich war ein sturer Mann, dessen Passion das Jagen war. Wohn- und Esszimmer des herrschaftlichen Gutshauses waren mit Geweihen von Rot- und Damwild dekoriert.
    Zwischen Jan und seinem Vater herrschte schon seit Jahren ein angespanntes Verhältnis. Vor allem die Tatsache, dass Jan seine Zukunft nicht auf dem Hof sah, hatte ihm sein Vater übel genommen. Als er sich dann auch noch für die Kriminalpolizei entschieden hatte, war er endgültig von ihm abgerückt. Nur seine Schwester Isabel und gelegentlich auch die Mutter hatten zu ihm gehalten und ihn während der harten Anfangszeit seiner Polizeiausbildung unterstützt.
    »Das wäre ja mal was ganz Neues«, brummte Cord. »Jan hat doch immer etwas an deinem Essen rumzumäkeln gehabt.«
    Jan wollte gerade zum Protest ansetzen, als sein Vater dazwischenfuhr. »Kein Streit bei Tisch«, sagte er. »Cord hat jedoch nicht unrecht, du warst schon immer ein schwieriger Esser. Genau wie Isabel.«
    Isabel verdrehte die Augen. Es war wie jeden Sonntag. Noch vor dem Hauptgang hatten sein Vater und Cord dafür gesorgt, dass die Stimmung am Tisch auf dem Gefrierpunkt war.
    »Jan, wir müssen noch einmal über das Gestüt reden«, wechselte Heinrich das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher