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Werwelt 03 - Der Nachkomme

Werwelt 03 - Der Nachkomme

Titel: Werwelt 03 - Der Nachkomme
Autoren: Robert Stallman
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fortgega n gen, die meisten nicht anders, als sie gekommen sind. Dieser hier schläft in einer Türnische wie ein he i matloses Kind. Ich beobachte ihn von einem Tre p penschacht auf der anderen Seite der Straße aus und überlege, ob ich ihm helfen soll. Er ist sehr krank, und selbst auf diese En t fernung sehe ich, daß er bald sterben wird. Lilly drängt mich, doch sie ist immer ganz versessen darauf, anderen zu helfen, und wenn sie könnte, würde sie mich in e i nem Krankenhaus arbeiten lassen. Der Mann hat sich tief in seinen Mantel gekuschelt und lehnt am Eisengitter der Treppe vor der fremden Hau s tür. Er ist ein großer, beleibter Mann in der Mitte des L e bens, unter se i nem Hut quillt dichtes Haar hervor und fällt auf ein müdes Gesicht. Die kräftigen, anmutigen Hände li e gen jetzt entspannt in seinem Schoß. Braune Schmutzkru s ten bedecken einen Arm und den Saum seines Mantels.
    › Wirst du ihm helfen? ‹
    › Warum gerade diesem unter so vielen? ‹
    › Er ist hier. ‹
    › Gut, Lilly, wir werden ihm helfen. ‹
    › Ich nehme ihn mit nach Hause. ‹
    › Nein. Er würde nicht verstehen. ‹
    › Du wirst ihm Angst machen. ‹
    › Er muß sich verändern. Dies ist der Beginn. ‹
    Ich lasse die Verwandlung, die mein Menschenwesen verlangt, nicht zu. Wenn wir diesem Mann helfen sollen, muß er selbst seinen Abstieg zum Tode rückgängig m a chen, und mein Erscheinen an diesem dunstigen Abend wird ihm einen Schock versetzen. Ich werde den Eindruck erwecken, als handelte es sich um einen Zufall.
    In seinen Träumen sah George Beaumont sich wieder in der langen Reihe von Menschen. Der kalte Novembe r nachmittag dehnte sich in die Unendlichkeit, und sie ma r schierten irgendwo durch den Schlamm wie Soldaten, die ihrem Tod entgegengehen. Sie hielten die Köpfe gesenkt. Das Ziel war ihnen bekannt.
    Schlagartig riß er die Augen auf. Sein ganzer Körper prickelte vor Furcht, der Atem stockte ihm. Was für ein Geräusch hatte ihn geweckt? Gegen das eiserne Gitter g e drückt, das jetzt warm war von seiner eigenen Wärme, ha t te er das Gefühl, ein Teil des Gebäudes zu sein, der plöt z lich zum Bewußtsein erwacht war. Da! Da drüben, auf der anderen Seite der schmalen Straße, bewegte sich etwas im Schatten, eine Gestalt, die so geschmeidig war, daß es sich nur um ein Tier handeln konnte, ein großes Tier, das von der Haustür zur Kellertür und zur Treppe glitt. George spürte, wie das Haar in seinem Nacken sich aufrichtete, während sein Magen sich angstvoll zusammenkrampfte. Da war wieder das Geräusch, das ihn aus dem Schlaf gerissen hatte, ein leises Stöhnen. Der Schatten bewegte sich plöt z lich so schnell, daß George glaubte, er wäre verschwunden, doch weiter unten tauchte er wieder auf. Es folgte ein durchdringendes Quietschen, dann Stille.
    George sprang auf, der arglose, unschuldige Außenst e hende, der ohne es zu wollen, ins Mordgeschehen geraten ist und jetzt vom Mörder entdeckt wird. Die schemenhafte Gestalt auf der anderen Seite zeigte sich jetzt im lichteren Dunkel außerhalb der Schatten der Häuser und stellte sich auf die Hinterbeine auf, während sie zu George hinüber b lickte. Aus dem blutverschmierten Maul hing der Körper einer Hauskatze.
    Dem Mann schwindelte, als sein eigenes hastiges Au f springen seinem Gehirn das Blut entzog. War es ein Bär? So, wie es dastand, war es größer als er, hatte einen runden Kopf, eine lange Schnauze und kleine Ohren, die nah am Kopf anlagen. Die Augen waren groß und leuchtend, die Augen eines Nachttiers. George Beaumont, den seine Freunde zu Hause Bo nannten, der sich im Dunkel der Nacht allein in einer fremden Stadt befand, meinte, da wäre einer seiner Träume irgendwie ins wache Leben hinübe r gesprungen; er meinte, da er geträumt hatte und zu früh erwacht war, hätte er versehentlich diese Erscheinung in se i ne Welt mitgenommen. Er wünschte sie fort.
    Das Tier ließ die tote Katze in den Rinnstein fallen und ging auf zwei Beinen auf ihn zu, wobei es ihn mit den A u gen fixierte.
    Bo konnte sich nicht von der Stelle rühren.
    › Ich will dir nichts Böses. ‹
    Der Mann taumelte, als hätte er einen Schlag ins Gesicht erhalten. Die Worte trafen seinen Geist wie eine körperl i che Berührung. Doch er spürte, wie sich der qualvolle Schmerz in seiner Seite wieder rührte, und wußte, daß er nicht träumte. Wie durch eine gläserne Wand nahm sein geistiges Auge das Geschehen auf: Das Tier, das sich ihm näherte, mit seinen
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