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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling
Autoren: Robert Stallman
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Irgendwie war die Frage gelöst worden. Robert war verblüfft.
    »Du kannst ihm sagen, daß wir hier Platz genug haben«, meinte die Frau. »Und Mühe macht er uns überhaupt keine. Er braucht nur was zum Anziehen und hin und wieder ein paar Taubeneier zum Frühstück.«
    Sie lachten beide.

    Auf die vielen Fragen des Bauern und seiner Frau und später des Sheriffs konnte Robert in aller Aufrichtigkeit antworten, daß er sich an nichts erinnerte.
    »Aber du erinnerst dich an deinen richtigen Namen?« fragte Sheriff Kendall zum drittenmal.
    »Ja, Sir«, erwiderte Robert und wiederholte den Namen.
    Der Sheriff war groß und gebeugt, und auf seinem Kopf wuchs kaum noch ein Haar. Er hatte einen vorstehenden runden Bauch, bei dessen Anblick Robert dachte, er müßte irgend etwas Großes verschluckt haben, so wie eine Schlange. Der Sheriff hatte sich ein paar Dinge mit einem gelben Bleistift in sein Notizbuch geschrieben. Aber jetzt hatte er das Buch weggesteckt und war dabei, den Kaffee, den Tante Cat ihm eingeschenkt hatte, vorsichtig in seine Untertasse zu gießen und darauf zu blasen. Plötzlich stellte er die Tasse nieder und drehte sich nach Robert um.
    »Habla usted Espagnol?«
    Robert fuhr zusammen und machte ein verständnisloses Gesicht.
    »Tja, Mrs. Nordmeyer, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.« Der Sheriff hob die Untertasse und kippte sie, um den abgekühlten Kaffee in die Tasse zurückfließen zu lassen. »Der kleine Bursche scheint mir durchaus aufgeweckt und gut erzogen, und aus dem Lager für die Saisonarbeiter kommt er wahrscheinlich nicht, sonst würde er Spanisch verstehen.«
    »Martin und ich haben besprochen, daß er bei uns bleiben kann, wenn das nicht gegen das Gesetz ist«, sagte Tante Cat. Sie legte Robert mit beschützerischer Gebärde eine Hand auf die Schulter.
    »Ach, gegen das Gesetz ist das nicht, glaube ich.« Der Sheriff lächelte. »Jedenfalls nicht, wenn ich fürs erste mal keine Fahndungsmeldung mache.«
    Martin kam mit großen Schritten über die Veranda gestapft, wischte sich die Füße ab, ging weiter ins Eßzimmer und setzte sich an den Tisch. Sein blaues Hemd war naß von Schweiß.
    »Ich habe dir die Ballen aus deinem Lieferwagen geladen, Len«, sagte er, während er sich die Stirn mit seinem Halstuch wischte.
    »Hätt’st du mal lieber gewartet, Martin. Ich wollt dir doch dabei helfen.«
    »War überhaupt keine Sache.« Martin krauste in besorgter Erwartung sein Gesicht. »Na, was meinst du jetzt zu diesem jungen Mann? Geht die Sache in Ordnung?«
    »Ach, ich denke, wir können das fürs erste einmal abwarten.« Der Sheriff stand vom Tisch auf und stopfte sein Khakihemd in die Hose. Er nahm seinen breitkrempigen Hut vom Stuhl. »Die Gemeinde hat im Augenblick Ausgaben genug. Und es wär Blödsinn, den Jungen abzuschieben, solange wir nicht mehr darüber wissen, wo er herkommt. Ich werd’ mit dem Richter reden, damit der Junge bei euch in Pflege bleiben kann, bis wir mehr hören.«
    Er zog sich den Hut über den kahlen Kopf, als wäre er eine Stehlampe, die ihren Schirm aufsetzt. Robert fand, er sähe mit dem Hut besser aus, vielleicht mehr wie ein Texasrancher.
    »Und wer weiß, wann das passieren wird?« meinte er lächelnd.
    Nachdem der Sheriff die schmale, von Hecken gesäumte Straße hinuntergefahren war, fühlte sich Robert wieder wohler. Er war sich nicht sicher gewesen, was der Sheriff mit ihm anstellen würde.
    »Ihr gebt mich doch nicht fort?« fragte er und blickte zuerst zu Tante Cat auf und dann zu Martin.
    »Du bist unser kleiner Robert«, sagte die Frau lächelnd. »Martin und ich geben dich bestimmt nicht fort.«
    »Es wäre natürlich ganz schön, wenn wir wüßten, woher du gekommen bist«, meinte Martin. »Aber wenn du eine Gedächtnisstörung hast, ist das schließlich nicht deine Schuld.«
    »Heißt das – heißt das, daß ich mich nicht mehr erinnern kann?«
    »Ja, ganz recht. Aber sicher wird dir eines Tages alles wieder einfallen«, erklärte Martin.
    Robert hatte den Eindruck, daß er die Stirn runzelte, aber es war schwer zu erkennen. Sein braunes Gesicht war von so vielen Falten und Furchen durchzogen. Doch wenn er lächelte, sah man das immer gleich.
    »Wenn mir alles einfällt und ich keine Gedächtnisstörung mehr habe, muß ich dann mit dem Sheriff weggehen?«
    Die beiden Erwachsenen sahen einander an.
    »Ja, aber wenn du dich wieder erinnerst«, meinte Tante Cat, »dann willst du vielleicht wieder nach Hause, wo deine Familie
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