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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling
Autoren: Robert Stallman
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Kopf, von Schwindel überkommen und beinahe von Sinnen vor Schmerz und Scham. Seine Abwehrmechanismen funktionierten kaum noch, so stark richtete er seine Konzentration darauf, von dem Dach herunterzukommen, ohne auch nur das leiseste Geräusch zu machen. Und was ist, ging es ihm unaufhörlich durch den Sinn, wenn da unten der alte Peaussier steht und mich beobachtet, mich vielleicht die ganze Zeit beobachtet hat? Er zitterte und bebte am ganzen Körper, während er versuchte, vorsichtig vom Dach zu kriechen.
    Ich steige in dem Jungen nach oben, fühle seine Verwirrung und werde zornig über diese ständigen Zustände von Aufgereiztheit und Frustration, die durchzumachen er entschlossen zu sein scheint, und die ich mitempfinden muß. Ich muß etwas tun. Ich steige hoch und verwandle mich.
    Mit einem Sprung bin ich geräuschlos vom Dach und lande neben den beiden Hunden auf dem Boden. Sie wollen aufheulen, aber ich mache kurzen Prozeß mit ihnen, packe jeden mit einer Klaue und drücke ihnen die Kehle so lange zu, bis sie beinahe tot sind. Jetzt werden sie mich eine Weile nicht stören. Mit allen Sinnen erspüre ich die Umgebung, der Hof wird so hell wie ein Feld in der Sonne. Ich wittere zwei Katzen, die drüben beim Silo gleich zu kämpfen anfangen werden, die Kaninchen, die jenseits des Gartens wie warme Steine im dunklen Gras liegen, den Stall voller Leben, das in Wellenbewegungen ausströmt in die Dunkelheit, wo ich endlich wieder meine ganze Kraft spüre.
    Ein Geruch weht mich an, als ich die Hunde fallen lasse. Ein lockender, scharfer, erregender Duft, beinahe so, als wartete da im Stall etwas auf mich. Ja, die Jersey-Kuh. Ihre Ausdünstung ist es. Meine Erregung schlägt hoch, als ich dem Geruch folge, mich von ihm führen lasse wie von einem Leuchtfeuer und fühle, wie er bald auf die eine Seite meines Pfades schwebt, bald auf die andere. Lautlos husche ich durch den von den Stallungen umschlossenen Hof, und die Katzen stieben wie die Schneeflocken vor mir auseinander. Hinter dem Stall höre ich den armen Bullen in seiner Qual. Das soll mein Schicksal nicht wieder sein.
    Ich habe mich durch das breite Tor hereingeschlichen. Auf der rechten Seite die Box. Ich höre jetzt ihr sachtes Rumoren und fange den süßen Luzernenduft der Kuh auf. Er mischt sich mit der Ausdünstung ihrer Hitze, die jetzt wilde Begierde in mir weckt und alle warnenden Sinne an den äußersten Rand meiner Wahrnehmung drängt. Ich spähe in die Box hinein, nehme Form und Gestalt mit meinem Raumsinn auf, während ich weiter dem Geruch folge. Ich schiebe den Riegel an der Tür auf, ziehe sie weit auf, drücke mein Gesicht in den Duft, der so appetitlich ist, presse mein Gesicht an die Kuh, spüre, wie alle Säfte meines Körpers heiß und schwer werden, reibe an ihrer Seite entlang, an ihrer seidigen Flanke, während ich flüstere: »Ich könnte dein Bulle sein. Ich könnte dein Liebhaber sein, aber du mußt mich nehmen, wie ich bin, denn ich habe gelitten. Oh, wie ich gelitten habe.«
    Die Kuh, die wunderschöne rot und samtschwarz gezeichnete Kuh, zuckt mit den Ohren, als wolle sie mir ein Zeichen geben, stampft mit den Füßen, fängt an, ein wenig zu muhen. Ich besteige sie und fange an.
    Ich bemühe mich, daran zu denken, sie nicht mit meinen scharfen Krallen zu verletzen, aber das ist so schwer. Die Bewegungen kommen verwunderlicherweise ganz von selbst, ohne mein Zutun, und ich treibe auf einer schwellenden Strömung brodelnden Bluts aufwärts, immer im Gleichtakt mit meinem pulsenden Blut. Musik ist da. Ich höre und fühle Musik wie damals in jenem dunklen Flur. Die Klänge eines Klaviers, Trommeln jetzt, nein, da waren keine Trommeln dabei, aber ja, ein Trommeln, das sich immer weiter steigert. Außerhalb meines rot schimmernden Universums süßer Wonne höre ich die Kuh stöhnen und dann brüllen, aber nichts kann mich jetzt mehr halten, wo das Blut in mir anfängt zu bersten und weiterbrodelt und wieder birst, so daß ich aufbrülle vor Lust, meine Krallen in die Kuh schlage und aufbrülle vor Lust. Und dann spüre ich, wie mein ganzes Leben und meine Kraft, meine blutvolle Lust sich in einem Schwall aus mir ergießen, in weitem Flug in die schwarze Finsternis hineinschießen. Ich stürze auf dem Rücken der Kuh vornüber, die Hinterpfoten gegen die Seitenwände der Box gestemmt, noch immer mit diesem Tier beschäftigt, den Kopf leer, während die Dunkelheit auf mich niederfällt.
    Lichter flammen plötzlich auf, grelle,
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