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Wernievergibt

Wernievergibt

Titel: Wernievergibt
Autoren: Friederike Schmöe
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Sie atmete tief durch, den Blick gen Kasbek gerichtet, als hoffte sie, er könnte ihr helfen. Der Alte blieb gleichgültig. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie wusste, dass sie alt wurde und dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb.
    Das Sammeltaxi fuhr an und passierte die Brücke, schließlich Medeas Häuschen. Sie klopfte der Ziege den Hals und sagte: »Lass uns gehen.«
    Vor sich in der nassen Finsternis sah sie zwei Bremslichter aufleuchten. Rote Punkte. Vampiraugen.
    Medea blieb stehen. Hoffnung war ihr größter Feind. Immer gewesen. Besser, sie fand sich ab. Zu hoffen und dann falsch zu liegen, war die schlimmste Pein.
    Die Ziege löste sich von ihrer Seite und trabte voraus. Medea kniff die Augen zusammen. Sie sah noch gut. Gut genug für ihre Zwecke.

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    »Danke«, sagte ich schwach und legte auf. »Das war Kawsadse. In dem Autowrack bei Wardsia haben sie Reste eines BlackBerrys gefunden. Sie versuchen, dem Telefon irgendwelche Informationen abzutrotzen, sehen jedoch wenig Chancen, dass es klappt.«
    »Und Miras Verwandten? Wer redet eigentlich mit denen?«, wollte Juliane wissen.
    »Darum kümmert sich die deutsche Botschaft.«
    Wir saßen in einem Café mitten in Batumi. Fotos zeigten die Stadt in schwarz-weiß. Eine Kuchenvitrine regte meinen Appetit an. Die Zugfahrt hatte mich ausgelaugt, die Hitze im Abteil, der Schlafmangel. Sopo gab die Bestellung auf.
    »O. k., dann wäre das geklärt.« Juliane gähnte herzhaft. Sie sah so braun gebrannt und erholt aus, als hätte sie auf Gran Canaria gechillt.
    »Gar nichts ist geklärt!«, regte ich mich auf. »Wie finden wir Clara? Wie recherchieren wir weiter in Sachen Mafia und Umsturz? Was machen wir überhaupt hier?«
    Juliane legte die Hand auf meinen Arm. »Wir machen es wie in Wien: Wir sitzen im Kaffeehaus, weil einem dort das Leben selbst die Antworten serviert.«
    Morgens um neun waren wir die einzigen Gäste. Die friedlichen Pastelltöne des frühen Tages wechselten zu orientalisch intensiven Farben, die dem Auge alles abverlangten. Ein rotäugiger Kellner servierte uns Pfannkuchen, Spiegeleier, gebratenen Speck, Kuchen, Kaffee und einen Saft vom Grün des Amazonasdschungels.
    »Probieren Sie das!«, riet Sopo. »Estragonlimonade. Schmeckt wunderbar.«
    Das kalorienreiche Essen stabilisierte mich. Als Juliane vorschlug: »Du könntest Nero anrufen!«, griff ich bereitwillig nach meinem Handy und wählte seine Nummer. Es war gerade mal halb acht in Deutschland. Nero war zum Glück Frühaufsteher.
    Unser Gespräch zog sich nicht lange hin. Ich schilderte unsere Entdeckung von den Zusammenhängen der Anti-Präsidenten-Demos im vergangenen Jahr und der Mafia. Er hörte konzentriert zu. Keine Vorwürfe, kein ›Habe ich dir nicht gesagt‹, kein ›Du solltest‹.
    »Mira war an dieser Geschichte dran. Die Akten sind im österreichischen BKA in Wien.«
    »Kea«, sagte Nero sanft. »Glaubst du im Ernst, dass ich mal eben ein paar Akten dieser Größenordnung per Fax nach München bekomme?«
    Juliane nahm mir das Telefon aus der Hand. »Uns interessiert erstens, ob die georgische Regierung davon überhaupt Kenntnis hat. Und zweitens, ob es Namen gibt. Zentrale Figuren, du weißt schon.«
    Mir blieb der Mund offen stehen.
    »Ja, Kea liebt dich!« Juliane grinste sardonisch und legte auf. »Er wird tun, was er kann.«
    »Na, du machst mir Spaß!«
    Sopos Lächeln versuchte uns einzureden, sie wüsste, wovon die Rede war. Ich grübelte gerade, ob es sinnvoll war, ihr von Nero zu erzählen. Man konnte ja nie wissen. Da ging die Tür zum Café auf und Thomas platzte herein. Der Israeli. Meine Gabel, bedrohlich über dem Spiegelei schwebend, sank auf den Teller.
    Er trug einen Anzug, eine gestreifte Krawatte und eine Laptoptasche über der Schulter.
    »Hi!«, rief ich.
    »Hi!« Er kam zu uns, sah mich an, dann Juliane, anschließend Sopo.
    »Was machst du denn hier?«, fragte ich blöd.
    »Wart ihr auch im Zug?«, fragte er zurück. Eher amüsiert denn überrascht. »Ich sag’s ja: Die Ausländer laufen sich an allen möglichen und unmöglichen Orten über den Weg.«
    »Setz dich!«, lud ich ihn ein. Er sah verdammt gut aus. Ausgeruht, aufmerksam, gestylt. Er war nett. Er war hungrig nach Geschäften. Irgendwie fühlte ich mich ihm verbunden, als spönne sich ein feines Netz um uns. Immerhin hatten wir eine Nacht miteinander verbracht.
    »Ich bin geschäftlich hier!« Er winkte dem Kellner.
    Sopo lehnte sich zurück. Sie konnte kein Englisch und fühlte sich
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