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Werke

Werke

Titel: Werke
Autoren: Theodor Storm
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beutesüchtig ein gewalt’ger Weih,
    Die Flügel schlagend durch den Sonnenduft;
    Tief aus der Holzung scholl des Hähers Schrei.
    Herbstblätterduft und Tannenharzgeruch
    Quoll mir entgegen schon auf meinem Wege,
    Und dort im Walle schimmerte der Bruch,
    Durch den ich meinen Pfad nahm ins Gehege.
    Schon streckten dort gleich Säulen der Kapelle
    Ans Laubgewölb die Tannenstämme sich;
    Dann war’s erreicht, und wie an Kirchenschwelle
    Umschauerte die Schattenkühle mich.
Eine Frühlingsnacht
    Im Zimmer drinnen ist’s so schwül;
    Der Kranke liegt auf dem heißen Pfühl.
     
    Im Fieber hat er die Nacht verbracht;
    Sein Herz ist müde, sein Auge verwacht.
     
    Er lauscht auf der Stunden rinnenden Sand;
    Er hält die Uhr in der weißen Hand.
     
    Er zählt die Schläge, die sie pickt,
    Er forschet, wie der Weiser rückt;
     
    Es fragt ihn, ob er noch leb’ vielleicht,
    Wenn der Weiser die schwarze Drei erreicht.
     
    Die Wartfrau sitzt geduldig dabei,
    Harrend, bis alles vorüber sei. –
     
    Schon auf dem Herzen drückt ihn der Tod;
    Und draußen dämmert das Morgenrot.
     
    An die Fenster klettert der Frühlingstag.
    Mädchen und Vögel werden wach.
     
    Die Erde lacht in Liebesschein,
    Pfingstglocken läuten das Brautfest ein;
     
    Singende Bursche ziehn übers Feld
    Hinein in die blühende, klingende Welt. –
     
    Und immer stiller wird es drin;
    Die Alte tritt zum Kranken hin.
     
    Der hat die Hände gefaltet dicht;
    Sie zieht ihm das Laken übers Gesicht.
     
    Dann geht sie fort. Stumm wird’s und leer;
    Und drinnen wacht kein Auge mehr.
Der Zweifel
    Der Glaube ist zum Ruhen gut,
    Doch bringt er nicht von der Stelle;
    Der Zweifel in ehrlicher Männerfaust,
    Der sprengt die Pforten der Hölle.
Februar
    Im Winde wehn die Lindenzweige,
    Von roten Knospen übersäumt;
    Die Wiegen sind’s, worin der Frühling
    Die schlimme Winterzeit verträumt.
März
    Und aus der Erde schauet nur
    Alleine noch Schneeglöckchen;
    So kalt, so kalt ist noch die Flur,
    Es friert im weißen Röckchen.
April
    Das ist die Drossel, die da schlägt,
    Der Frühling, der mein Herz bewegt;
    Ich fühle, die sich hold bezeigen,
    Die Geister aus der Erde steigen.
    Das Leben fließet wie ein Traum –
    Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.
Mai
1.
    Die Kinder schreien »Vivat hoch!«
    In die blaue Luft hinein;
    Den Frühling setzen sie auf den Thron,
    Der soll ihr König sein.
2.
    Die Kinder haben die Veilchen gepflückt,
    All, all, die da blühten am Mühlengraben.
    Der Lenz ist da; sie wollen ihn fest
    In ihren kleinen Fäusten haben.
Juli
    Klingt im Wind ein Wiegenlied,
    Sonne warm herniedersieht,
    Seine Ähren senkt das Korn,
    Rote Beere schwillt am Dorn,
    Schwer von Segen ist die Flur –
    Junge Frau, was sinnst du nur?
August
    Inserat
    Die verehrlichen Jungen, welche heuer
    Meine Äpfel und Birnen zu stehlen gedenken,
    Ersuche ich höflichst, bei diesem Vergnügen
    Wo möglich insoweit sich zu beschränken,
    Daß sie daneben auf den Beeten
    Mir die Wurzeln und Erbsen nicht zertreten.
Im Garten
    Hüte, hüte den Fuß und die Hände,
    Eh sie berühren das ärmste Ding!
    Denn du zertrittst eine häßliche Raupe
    Und tötest den schönsten Schmetterling.
Komm, laß uns spielen
    Wie bald des Sommers holdes Fest verging!
    Rauh weht der Herbst; wird’s denn auch Frühling wieder?
     
    Da fällt ein bleicher Sonnenstrahl hernieder –
    Komm, laß uns spielen, weißer Schmetterling!
     
    Ach, keine Nelke, keine Rose mehr;
    Am Himmel fährt ein kalt Gewölk daher!
     
    Weh, wie so bald des Sommers Lust verging –
    O komm! Wo bist du, weißer Schmetterling?
Herbst
1.
    Schon ins Land der Pyramiden
    Flohn die Störche übers Meer;
    Schwalbenflug ist längst geschieden,
    Auch die Lerche singt nicht mehr.
     
    Seufzend in geheimer Klage
    Streift der Wind das letzte Grün;
    Und die süßen Sommertage,
    Ach, sie sind dahin, dahin!
     
    Nebel hat den Wald verschlungen,
    Der dein stillstes Glück gesehn;
    Ganz in Duft und Dämmerungen
    Will die schöne Welt vergehn.
     
    Nur noch einmal bricht die Sonne
    Unaufhaltsam durch den Duft,
    Und ein Strahl der alten Wonne
    Rieselt über Tal und Kluft.
     
    Und es leuchten Wald und Heide,
    Daß man sicher glauben mag,
    Hinter allem Winterleide
    Lieg’ ein ferner Frühlingstag.
2.
    Die Sense rauscht, die Ähre fällt,
    Die Tiere räumen scheu das Feld,
    Der Mensch begehrt die ganze Welt.
3.
    Und sind die Blumen abgeblüht,
    So brecht der Äpfel goldne Bälle;
    Hin ist die Zeit der Schwärmerei,
    So schätzt nun
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