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Werke

Werke

Titel: Werke
Autoren: Theodor Storm
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endlich das Reelle!
Hinter den Tannen
    Sonnenschein auf grünem Rasen,
    Krokus drinnen blau und blaß;
    Und zwei Mädchenhände tauchen
    Blumen pflückend in das Gras.
     
    Und ein Junge kniet daneben,
    Gar ein übermütig Blut,
    Und sie schaun sich an und lachen –
    O wie kenn ich sie so gut!
     
    Hinter jenen Tannen war es,
    Jene Wiese schließt es ein –
    Schöne Zeit der Blumensträuße,
    Stiller Sommersonnenschein!
Vor Tag
1.
    Wir harren nicht mehr ahnungsvoll
    Wie sonst auf blaue Märchenwunder;
     
    Wie sich das Buch entwickeln soll,
    Wir wissen’s ganz genau jetzunder.
     
    Wir blätterten schon hin und her
    – Denn ruchlos wurden unsre Hände –,
    Und auf der letzten Seite sahn
    Wir schon das schlimme Wörtlein Ende.
2.
    Und geht es noch so rüstig
    Hin über Stein und Steg,
    Es ist eine Stelle im Wege,
    Du kommst darüber nicht weg.
3.
    Schlag erst die Stunde, wo auf Erden
    Dein holdes Bildnis sich verlor,
    Dann wirst du niemals wieder werden,
    So wie du niemals warst zuvor.
4.
    Da diese Augen nun in Staub vergehen,
    So weiß ich nicht, wie wir uns wiedersehen.
Zur Taufe
    Ein Gutachten
    Bedenk es wohl, eh du sie taufst!
    Bedeutsam sind die Namen;
    Und fasse mir dein liebes Bild
    Nun in den rechten Rahmen.
    Denn ob der Nam’ den Menschen macht,
    Ob sich der Mensch den Namen,
    Das ist, weshalb mir oft, mein Freund,
    Bescheidne Zweifel kamen;
    Eins aber weiß ich ganz gewiß:
    Bedeutsam sind die Namen!
    So schickt für Mädchen Lisbeth sich,
    Elisabeth für Damen;
    Auch fing sich oft ein Freier schon,
    Dem Fischlein gleich am Hamen,
    An einem ambraduftigen,
    Klanghaften Mädchennamen.
Morgane
    An regentrüben Sommertagen,
    Wenn Luft und Flut zusammenragen
    Und ohne Regung schläft die See,
    Dann steht an unserm grauen Strande
    Das Wunder aus dem Morgenlande,
    Morgane, die berufne Fee.
     
    Arglistig halb und halb von Sinne,
    Verschmachtend nach dem Kelch der Minne,
    Der stets an ihrem Mund versiegt,
    Umgaukelt sie des Wandrers Pfade
    Und lockt ihn an ein Scheingestade,
    Das in des Todes Reichen liegt.
     
    Von ihrem Zauberspiel geblendet,
    Ruht manches Haupt in Nacht gewendet,
    Begraben in der Wüste Schlucht;
    Denn ihre Liebe ist Verderben,
    Ihr Hauch ist Gift, ihr Kuß ist Sterben,
    Die schönen Augen sind verflucht.
     
    So steht sie jetzt im hohen Norden
    An unsres Meeres dunklen Borden,
    So schreibt sie fingernd in den Dunst;
    Und quellend aus den luft’gen Spuren
    Erstehn in dämmernden Konturen
    Die Bilder ihrer argen Kunst.
     
    Doch hebt sich nicht wie dort im Süden
    Auf rosigen Karyatiden
    Ein Wundermärchenschloß ins Blau;
    Nur einer Hauberg graues Bildnis
    Schwimmt einsam in der Nebelwildnis,
    Und keinen lockt der Hexenbau.
     
    Bald wechselt sie die dunkle Küste
    Mit Libyens sonnengelber Wüste
    Und mit der Tropenwälder Duft;
    Dann bläst sie lachend durch die Hände,
    Dann schwankt das Haus, und Fach und Wände
    Verrinnen quirlend in die Luft.
Ostern
    Es war daheim auf unserm Meeresdeich;
    Ich ließ den Blick am Horizonte gleiten,
    Zu mir herüber scholl verheißungsreich
    Mit vollem Klang das Osterglockenläuten.
     
    Wie brennend Silber funkelte das Meer,
    Die Inseln schwammen auf dem hohen Spiegel,
    Die Möwen schossen blendend hin und her,
    Eintauchend in die Flut die weißen Flügel.
     
    Im tiefen Kooge bis zum Deichesrand
    War sammetgrün die Wiese aufgegangen;
    Der Frühling zog prophetisch über Land,
    Die Lerchen jauchzten und die Knospen sprangen. –
     
    Entfesselt ist die urgewalt’ge Kraft,
    Die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen,
    Und alles treibt, und alles webt und schafft,
    Des Lebens vollste Pulse hör ich klopfen.
     
    Der Flut entsteigt der frische Meeresduft;
    Vom Himmel strömt die goldne Sonnenfülle;
    Der Frühlingswind geht klingend durch die Luft
    Und sprengt im Flug des Schlummers letzte Hülle.
     
    O wehe fort, bis jede Knospe bricht,
    Daß endlich uns ein ganzer Sommer werde;
    Entfalte dich, du gottgebornes Licht,
    Und wanke nicht, du feste Heimaterde! –
     
    Hier stand ich oft, wenn in Novembernacht
    Aufgor das Meer zu gischtbestäubten Hügeln,
    Wenn in den Lüften war der Sturm erwacht,
    Die Deiche peitschend mit den Geierflügeln.
     
    Und jauchzend ließ ich an der festen Wehr
    Den Wellenschlag die grimmen Zähne reiben;
    Denn machtlos, zischend schoß zurück das Meer –
    Das Land ist unser, unser soll es bleiben!
Nach Reisegesprächen
    Vorwärts lieber laß uns schreiten
    Durch die deutschen Nebelschichten,
    Als auf alten Träumen
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