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Werke

Werke

Titel: Werke
Autoren: Theodor Storm
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    Und auf römischen Berichten!
    Denn mir ist, als säh ich endlich
    Unter uns ein Bild entfalten;
    Dunkel erst, doch bald verständlich
    Sich erheben die Gestalten;
    Hauf an Haufen im Getümmel,
    Nun zerrissen, nun zusammen;
    An dem grauverhangnen Himmel
    Zuckt es wie von tausend Flammen.
    Hört ihr, wie die Büchsen knallen?
    Wutgeschrei durchfegt die Lüfte;
    Und die weißen Nebel wallen,
    Und die Brüder stehn und fallen –
    Hoher Tag und tiefe Grüfte!
Im Herbste 1850
    Und schauen auch von Turm und Tore
    Der Feinde Wappen jetzt herab,
    Und rissen sie die Trikolore
    Mit wüster Faust von Kreuz und Grab;
     
    Und müßten wir nach diesen Tagen
    Von Herd und Heimat bettelnd gehn –
    Wir wollen’s nicht zu laut beklagen;
    Mag, was da muß, mit uns geschehn!
     
    Und wenn wir hülfelos verderben,
    Wo keiner unsre Schmerzen kennt,
    Wir lassen unsern spätsten Erben
    Ein treu besiegelt Testament;
     
    Denn kommen wird das frische Werde,
    Das auch bei uns die Nacht besiegt,
    Der Tag, wo diese deutsche Erde
    Im Ring des großen Reiches liegt.
     
    Ein Wehe nur und eine Schande
    Wird bleiben, wenn die Nacht verschwand:
    Daß in dem eignen Heimatlande
    Der Feind die Bundeshelfer fand;
     
    Daß uns von unsern eignen Brüdern
    Der bittre Stoß zum Herzen drang,
    Die einst mit deutschen Wiegenliedern
    Die Mutter in den Schlummer sang;
     
    Die einst von deutscher Frauen Munde
    Der Liebe holden Laut getauscht,
    Die in des Vaters Sterbestunde
    Mit Schmerz auf deutsches Wort gelauscht.
     
    Nicht viele sind’s und leicht zu kennen –
    O haltet ein! Ihr dürft sie nicht
    In Mitleid noch im Zorne nennen,
    Nicht in Geschichte noch Gedicht.
     
    Laßt sie, wenn frei die Herzen klopfen,
    Vergessen und verschollen sein,
    Und mischet nicht die Wermutstropfen
    In den bekränzten deutschen Wein!
Gräber an der Küste
    Mit Kränzen haben wir das Grab geschmückt,
    Die stille Wiege unsrer jungen Toten;
    Den grünsten Efeu haben wir gepflückt,
    Die spätsten Astern, die das Jahr geboten.
     
    Hier ruhn sie waffenlos in ihrer Gruft,
    Die man hinaustrug aus dem Pulverdampfe;
    Vom Strand herüber weht der Meeresduft,
    Die Schläfer kühlend nach dem heißen Kampfe.
     
    Es steigt die Flut; vom Ring des Deiches her
    Im Abendschein entbrennt der Wasserspiegel;
    Ihr schlafet schön! Das heimatliche Meer
    Wirft seinen Glanz auf euren dunklen Hügel.
     
    Und rissen sie die Farben auch herab,
    Für die so jung ihr ginget zu den Bleichen,
    Oh, schlafet ruhig! Denn von Grab zu Grab
    Wehn um euch her der Feinde Wappenzeichen.
     
    Nicht euch zum Ruhme sind sie aufgesteckt;
    Doch künden sie, daß eure Kugeln trafen,
    Daß, als ihr euch zur ew’gen Ruh gestreckt,
    Den Feind ihr zwanget, neben euch zu schlafen.
     
    Ihr aber, denen ohne Trommelschlag
    Durch Feindeshand bereitet ward der Rasen,
    Hört dieses Lied! und harret auf den Tag,
    Daß unsre Reiter hier Reveille blasen! –
     
    Doch sollte dieser heiße Lebensstreit
    Verlorengehn wie euer Blut im Sande
    Und nur im Reiche der Vergangenheit
    Der Name leben dieser schönen Lande:
     
    In diesem Grabe, wenn das Schwert zerbricht,
    Liegt deutsche Ehre fleckenlos gebettet!
    Beschützen konntet ihr die Heimat nicht,
    Doch habt ihr sterbend sie vor Schmach gerettet.
     
    Nun ruht ihr, wie im Mutterschoß das Kind,
    Und schlafet aus auf heimatlichem Kissen;
    Wir andern aber, die wir übrig sind,
    Wo werden wir im Elend sterben müssen!
     
    Schon hatten wir zu festlichem Empfang
    Mit Kränzen in der Hand das Haus verlassen;
    Wir standen harrend ganze Nächte lang,
    Doch nur die Toten zogen durch die Gassen.-
     
    So nehmet denn, ihr Schläfer dieser Gruft,
    Die spätsten Blumen, die das Jahr geboten!
    Schon fällt das Laub im letzten Sonnenduft –
    Auch dieses Sommers Kranz gehört den Toten.
Ein Epilog
    Ich hab es mir zum Trost ersonnen
    In dieser Zeit der schweren Not,
    In dieser Blütezeit der Schufte,
    In dieser Zeit von Salz und Brot.
     
    Ich zage nicht, es muß sich wenden,
    Und heiter wird die Welt erstehn,
    Es kann der echte Keim des Lebens
    Nicht ohne Frucht verlorengehn.
     
    Der Klang von Frühlingsungewittern,
    Von dem wir schauernd sind erwacht,
    Von dem noch alle Wipfel rauschen,
    Er kommt noch einmal, über Nacht!
     
    Und durch den ganzen Himmel rollen
    Wird dieser letzte Donnerschlag;
    Dann wird es wirklich Frühling werden
    Und hoher, heller, goldner Tag.
     
    Heil allen Menschen, die es hören!
    Und Heil dem Dichter, der dann lebt
    Und aus dem offnen Schacht des
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