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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen?
Autoren: Evelyn Sanders
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Stefan.
    Mama hatte das schlafende Mädchen an Uropa weitergereicht und die Kühltasche geöffnet. Zum Vorschein kamen zwei Flaschen Sekt nebst einer noch zugeschweißten Packung Plastikbecher, »Wir müssen doch die gesunde Heimkehr begießen«, sagte Mama, mit dem ersten Korken kämpfend. »Sie kriegen auch ein Gläsle ab.«
    Der Bus hielt, zischend öffnete sich die Tür, und dann standen sie vor uns, die beiden braungebrannten Burschen, und wirkten zwischen uns Bleichgesichtern reichlich exotisch.
    »Hü« grüßte Sascha, etwas herablassend das Empfangskomitee musternd, während Stefan erst gar nicht zu Wort kam. Die gesamte Sippe war auf ihn zugestürzt, Mama, mit der noch immer ungeöffneten Flasche in der Hand, umhalste ihn und ließ ihm nicht mal Zeit, seine Tasche abzustellen.
    »Bloß weg hier!« zischelte uns Sascha zu. »Der Kerl geht mir allmählich auf den Senkel.«
    Doch dazu kamen wir noch nicht. Erst mußte Sascha schnell ein Glas Sekt trinken, weil »der Freund von unserem Stefan wird doch sicher mit uns anstoßen wollen«, was er denn auch notgedrungen tat.
    Anschließend mußte er noch Papa die Hand geben und Opa, mußte Papas Visitenkarte einstecken, damit er den Stefan bald mal besuchen könne (»Das erste Dorf hinter Kempten, wo Edeka draußen dransteht, das sind wir!«), und dann endlich durften wir uns verabschieden.
    »Genau so habe ich mir seinen Verein vorgestellt«, schimpfte Sascha, »die letzten zwei Stunden hat er von nichts anderem erzählt. Von wegen Freund« – er schüttelte sich, als wollte er ein lästiges Insekt abstreifen –, »ich habe den vorher ja kaum gekannt. So ’ne Flasche hätte überhaupt nicht in unsere Crew gepaßt. Wir hatten nur zufällig denselben Weg.«
    Als wir im Auto saßen, den Kofferraumdeckel mit Strippe fixiert, weil er nicht mehr zugegangen war, machte Sven zum erstenmal wieder den Mund auf. »Wie kommst du von da unten« – auf nähere Bezeichnungen wollte er sich wegen mangelnder geographischer Kenntnisse wohl nicht einlassen – »nach Island, von da nach Brüssel und dann mit ’nem popligen Bus nach hier?«
    »Weil’s der schnellste Weg war.«
    »Ach? – Na ja, wenn ich nach Stuttgart will, fahre ich auch immer über München.«
    »Und billiger wär’s außerdem«, ergänzte Sascha, bevor er sich zu einer näheren Erklärung herabließ. Demnach wäre ein Direktflug Miami-New York-Frankfurt ein paar hundert Dollar teurer gewesen als der Umweg über Island, nur gab es von dort keine Verbindung nach Frankfurt, so war als letzte Möglichkeit Brüssel geblieben. Und von dort wiederum wäre erst am nächsten Tag wieder eine Maschine in die Mainmetropole gegangen. »Ich wußte gar nicht, daß Busfahren so teuer ist«, beendete er seinen Bericht, »ein Flugticket hätte auch nicht viel mehr gekostet.«
    »Und nun erzähl mal, wie das so ist auf ’m Kahn«, forderte Sven ihn auf. »Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß du mit einem Millionärstöchterlein aufkreuzt oder wenigstens mit was Exotischem, Typ Bali oder Java.«
    »Quatsch«, murmelte Sascha nur, und dann sagte er gar nichts mehr. Er war nämlich eingeschlafen.
    Wenn ich mir nun eingebildet hatte, er würde seinen Seesack an den Nagel hängen und wieder seßhaft werden, so wurde ich sehr schnell eines Besseren belehrt. »In sechzehn Tagen muß ich wieder in Southampton sein.
    Habe ich euch eigentlich schon gesagt, daß ich auf der Kju-Iii-Tu angeheuert habe?«
    Nein, hatte er nicht. Er hatte überhaupt recht wenig erzählt, und wenn er nach so kurzer Zeit schon wieder den Kahn wechseln wollte, mußten wohl schwerwiegende Gründe vorliegen. Oder war er am Ende gar nicht freiwillig gegangen? Was war das überhaupt für ein Name? Kju-Iii-Tu, so heißt doch kein anständiges Schiff?
    »Warum bleibst du denn nicht auf der LIBERTY?«
    »Würdest du nicht zugreifen, Määm, wenn du dich verbessern könntest?«
    »Natürlich! Nur kann ich nicht verstehen, weshalb du dir dazu ausgerechnet ein chinesisches Schiff ausgesucht hast.
    Kju-Iii-Tu, was heißt denn das auf deutsch?«
    Er grinste nur. »QUEEN ELIZABETH Zwo. Vielleicht hast du schon mal was davon gehört.«
    Jetzt ging mir endlich ein Licht auf. Einige Fachausdrücke hatte ich inzwischen gelernt, wußte, daß man unter »Crossing« die Atlantik-Route England-New York zu verstehen hatte und »Overnight« bedeutete, daß das Schiff auch nachts im Hafen blieb und nicht, wie bei Kreuzfahrten üblich, auf hoher See dem nächsten Ziel
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