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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen?
Autoren: Evelyn Sanders
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Barbados. Das nächste Lebenszeichen kam vom Panamakanal, aus Tahiti folgte auch noch eines, und danach hörte ich überhaupt nichts mehr vom ihm. Bis die Anrufe kamen. Zwischendurch hatten wir uns zwar kurz gesehen, doch zu diesem Zeitpunkt war von einer Verlobung nicht mal andeutungsweise die Rede gewesen.
    Aber vielleicht sollte ich lieber ganz von vorne anfangen.
    Im zarten Alter von siebzehn Jahren war Sascha zu der Erkenntnis gelangt, sein derzeitiger Bildungsstand genüge vollkommen, ein Abitur brauche er nicht, er habe das Leben als Taschengeldempfänger satt und wolle endlich selber Geld verdienen. Sein um ein Jahr älterer Bruder Sven war der gleichen Ansicht – wer seinerzeit wen überredet hatte, haben wir niemals mit letzter Sicherheit herausbekommen –, und so herrschte eine Zeitlang innerhalb der Familie ein ausgesprochen frostiges Klima.
    Der väterlichen Weigerung, die Knaben von der Schule zu nehmen, setzten sie passive Resistenz entgegen, die blauen Briefe sowie das folgende Donnerwetter quittierten sie mit einem Achselzucken, und acht Wochen später blieben sie sitzen. Beide!
    Das Familienoberhaupt kapitulierte zähneknirschend.
    Sohn eins durfte seine Lehre als Landschaftsgärtner beginnen, Sohn zwei wurde nach Bad Harzburg in Marsch gesetzt, um dort unter der Ägide von Rolfs Schulfreund eine Ausbildung als Restaurantfachmann zu absolvieren.
    Nach vier Monaten flog er wieder raus. Wegen angeblicher Renitenz. Die Hoffnungen seines Vaters, Sascha würde nun doch den relativ bequemen Schulalltag dem Erwerbsleben vorziehen, erfüllten sich trotzdem nicht.
    »Der Job macht mir Spaß, aber nicht unbedingt unter Aufsicht eines Sklaventreibers! Oder findest du es normal, in einem Müllcontainer herumzukriechen und nach irgendwelchen verlorengegangenen Rechnungen zu suchen?«
    Rolf fand das auch nicht normal, vermittelte seinem Sohn eine weitere Ausbildungsstätte, diesmal in einem Nobelrestaurant, wo Sascha noch vor Ablauf der regulären Lehrzeit eine glänzende Prüfung hinlegte.
    »Jetzt geht’s ans Verdienen«, verkündete er strahlend, »mit
dem
Zeugnis komme ich in jedem Haus unter! Ich suche mir natürlich nur die besten aus.« Sprach’s, verschickte Bewerbungen und bekam als erste Zuschrift einen Brief vom Wehrbereichskommando, das ihn als Vaterlandsverteidiger beanspruchte.
    »Ich verweigere!« erklärte Sascha sofort. »Ich laß mir doch nicht eine Knarre in die Hand drücken!«
    Allerdings war ihm das damals noch übliche Verfahren zu langwierig, sein Ausgang zu ungewiß, und die Möglichkeit, als Zivi in einem Krankenhaus Bettpfannen leeren zu müssen, erschien ihm auch nicht gerade verlockend.
    »Ich weiß gar nicht, weshalb du dich so sträubst«, sagte Sven, »nach der Grundausbildung kommst du sowieso ins Offizierskasino. Oder glaubst du, die haben da diplomierte Essenträger zu Dutzenden herumlaufen?«
    Sascha sah das ein und fügte sich ins Unvermeidliche.
    Das Unvermeidliche nannte sich Grundausbildung und vermittelte mir einen umfassenden Einblick in die bundeswehreigene Garderobe. An jedem Wochenende röhrte die Waschmaschine, und wenn ich hinterher fluchend am Bügelbrett stand, weil das Verteidigungsministerium offenbar auch Mütter zwangsverpflichtete und zu Sonntagsarbeit verdammte, erklärte Rekrut Sascha mit schöner Regelmäßigkeit:»Ich könnte die Klamotten ja in der Kaserne waschen lassen, aber hinterher sind immer die Knöpfe kaputt, und dann müßte ich jedesmal neue drannähen.«
    Nach drei Monaten konnte ich meine Wäscherei schließen. Sascha bekam als Kasino-Ordonnanz weiße Jacken mit ein bißchen Gold obendran und festvernieteten Knöpfen, die auch dem stabilsten Bügelautomaten widerstanden. Morgens durfte er ausschlafen, weil die Herren Offiziere das auch taten, dafür kam er abends spät ins Bett, doch daran war er ja gewöhnt. Nun empfand er seine Zwangsrekrutierung auch nicht mehr unbedingt als Hemmschuh auf seinem Weg zum Hotelmanager, denn er mußte die Konfirmationsfeier vom Majorstöchterlein organisieren und wenig später die Verlobungsparty eines Oberleutnants. Angst vor der Arbeit hatte er nicht, er wehrte sich nur sehr tapfer dagegen, genoß seine unbestrittenen Privilegien und ließ vorzugsweise die Hilfskräfte schaffen. Er war allgemein beliebt und bis auf die Bezahlung sogar zufrieden.
    Alles ging so lange gut, bis sich ein frustrierter Hauptmann im Kasino vollaufen ließ, zu mitternächtlicher Stunde Sascha das Du anbot und seinem Bruder im
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