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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen?
Autoren: Evelyn Sanders
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lächerlich ist«, sagte ich pikiert.
    »Kannst du dir etwa vorstellen, wie ich mit Kosmeticköfferchen in der einen Hand und Hutschachtel in der anderen, unterm Arm womöglich noch einen hechelnden Yorkshireterrier, hinter einer vollschlanken Mittfünfzigerin die Gangway raufstapfe?«
    Vorstellen konnte ich mir das durchaus, und außerdem:»Nicht jede Frau über fünfzig ist dick!
Ich
zum Beispiel habe immer noch Größe vierzig.«
    »Du tust ja auch was. Haushalt, Brutpflege und so weiter, aber diese reichen alten Schachteln langweilen sich doch den ganzen Tag, kompensieren ihren Frust mit Gourmet-Menüs und wundern sich, wenn das Chanelkostüm, extra für sie angefertigt und aus Paris eingeflogen, an ihnen aussieht wie von Neckermann.«
    Verächtlich winkte er ab. »Laß mich mit diesen exaltierten Weibern in Ruhe! Ich bin froh, daß ich sie nicht mehr sehen muß.«
    »Ja, aber wenn du nicht …« Ich habe wohl ein bißchen sehr hilflos ausgeschaut, denn er drückte mir einen flüchtigen Kuß auf die Stirn und stiefelte treppaufwärts.
    »Einzelheiten erzähle ich nachher, wenn die ganze Sippe da ist«, brüllte er von oben herunter, »sonst muß ich alles dreimal wiederkäuen.« Eine Tür knallte zu, und Sekunden später dröhnte die voll aufgedrehte Stereoanlage durchs Haus. »Take it easy …« hörte ich noch, bevor ich nach den Wattestöpseln suchte.
    Während des Abendessens erfuhr die staunende Familie, daß sich Sascha zusammen mit einem Freund bei verschiedenen Reedereien beworben hatte, aufgrund der offenbar sehr guten Referenzen auch unbesehen angeheuert worden war und sich nunmehr Steward nennen durfte, der Anfang Dezember in Southampton an Bord gehen werde.
    »Was ist denn das für ’n Kahn?« wollte Katja wissen.
    »Ein großes Passagierschiff. MS LIBERTY heißt es.«
    »Noch nie gehört.« Und nach kurzem Überlegen: »Bist du sicher, daß es sich nicht um die Fähre zwischen Dover und Calais handelt?«
    Er warf ihr nur einen mitleidigen Blick zu. »Warte ab, bis ich euch die ersten Ansichtskarten schicke, zum Beispiel von Hawaii oder den Bahamas. Aus Hongkong kriegt ihr auch eine und aus Tokio.«
    Zwei Wochen lang nervte er uns von morgens bis abends, dann endlich fuhr ich ihn zum Flughafen, wünschte ihm eine gute Reise und Neptuns Wohlwollen.
    In Wirklichkeit war mir zum Heulen zumute, was ich auf der Heimfahrt auch ausgiebig tat. Natürlich mußte man eines Tages seine Kinder hergeben, sie loslassen und auf ihren eigenen Weg schicken. Aber doch nicht gleich bis nach Australien!
    Wenigstens die anderen vier blieben mir noch, obwohl Sven seit längerem in Stuttgart wohnte und Steffi ebenfalls ausgezogen war, doch die zehn Kilometer ließen sich leichter überwinden als zehntausend. Die Zwillinge hatten noch zwei Schuljahre vor sich, danach würden sie wohl auch verschwinden, irgendwo irgendwas studieren.
    Momentan schwankten die Berufsziele noch zwischen Reiseleiter auf den Malediven und Biochemiker bei BASF, doch das würde sich wohl noch ein paarmal ändern.
    Erschreckend deutlich wurde mir klar, daß sich unser Haus immer mehr leerte und der Tag abzusehen war, an dem Rolf und ich allein in unseren vier Wänden sitzen würden und bloß noch Fotoalben begucken konnten.
    »Weißt du noch, damals in Monlingen, als Sven den ersoffenen Maulwurf …«
    Energisch rief ich mich zur Ordnung.
Noch
war es ja nicht soweit, noch bevölkerten die Zwillinge beziehungsweise mehr noch deren Freundesscharen das Haus, noch kreuzte Steffi regelmäßig bei uns auf, hauptsächlich dann, wenn sie mal wieder Krach mit Horst Herrmann hatte – erwachsen war sie mit ihren einundzwanzig Jahren auch noch nicht geworden.
    Von Sascha trudelten Postkarten ein, schöne bunte mit schönen bunten Marken drauf, und alle zeigten sie Palmen, mal mit, mal ohne Strand, aber immer mit Meer im Hintergrund. Ich fand, daß der Pazifische Ozean genauso aussah wie der Indische und beide sich nicht vom Atlantischen unterschieden. Auf Teneriffa wachsen auch Palmen.
    Irgendwann im Mai stellte Sascha seine baldige Heimkehr in Aussicht – die Karte war fast einen Monat unterwegs gewesen –, und drei Tage nach ihrer Ankunft klingelte das Telefon. »Hallo, Määm, ich bin in Reykjavik, fliege gleich nach Brüssel und bin um sieben in Frankfurt.
    Kannst du mich abholen? Aber nicht am Flughafen, sondern am Busbahnhof.« Es knackte in der Leitung, und das Gespräch war weg.
    »Das ist Sascha gewesen«, erklärte ich meinem zeitungslesenden
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