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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen?
Autoren: Evelyn Sanders
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Ehemann, »er ist in Island.«
    »Was macht er denn
da?
Ich denke, er schippert durch die Südsee?«
    Das allerdings fragte ich mich auch. »Hat er nicht gesagt. Ich soll ihn heute abend in Frankfurt abholen.
    Vorher muß er aber noch nach Brüssel.«
    Nachdenklich faltete Rolf die Zeitung zusammen.
    »Eine merkwürdige Reiseroute. Bist du sicher, daß du dich nicht geirrt hast?«
    So sicher war ich mir keineswegs mehr. Andererseits hatte ich mich bisher noch immer auf mein Gehör verlassen können, und das hatte eindeutig »Frankfurt, Busbahnhof, sieben Uhr« verstanden. »Wie spät ist es?«
    »Kurz nach eins. Warum?«
    »Na prima! Wir haben Pfingstsamstag, zwei Feiertage vor uns, die Geschäfte sind zu, und Sascha war nicht eingeplant.« In Gedanken überflog ich meine Vorräte in der Kühltruhe, mußte jedoch einsehen, daß ich weder mit vier verschiedenen Eissorten noch mit eingefrorenen Maultaschen oder einem halben Dutzend Gläsern Bienenhonig das Feiertagsmenü würde verlängern können.
    Seitdem kürzlich das Kühlaggregat ausgefallen war und ich diese Panne erst bemerkt hatte, als sich auf dem Kellerboden Erdbeersaft mit Bratensoße und Schokoladeneis zu einer klebrigen Masse vermischt hatte, war ich vorsichtiger geworden und stopfte die Truhe nicht mehr mit preiswerten Sonderangeboten voll. Die zwölf aufgetauten Schnitzel waren zusammen mit den Rouladen in der Mülltonne gelandet und hatten noch Tage später mein Gewissen strapaziert.
    »Jetzt habe ich nicht genug zum Essen im Haus«, lamentierte ich von neuem, »die Lammkoteletts sind genau abgezählt.«
    »Ich verzichte auf meins«, brüllte Sven von oben, »wie ich dich kenne, hast du dir ja doch wieder Hammel andrehen lassen.« Noch im Schlafanzug, schlurfte er die Treppe herunter, schlappte weiter in die Küche, holte zwei Gläser aus dem Schrank, goß in das eine Orangensaft und hielt das zweite unter die Wasserleitung. »Is’ Aspirin im Haus, Määm?«
    »Ja, oben im Bad.«
    Er stöhnte mitleiderregend. »Hättste das nicht früher sagen können? Da komme ich doch gerade her.«
    »Davon sieht man aber nichts, du machst im Gegenteil einen reichlich zerknitterten Eindruck.«
    Müde winkte er ab. »Wer morgens zerknittert aufwacht, hat den ganzen Tag viele Entfaltungsmöglichkeiten. Ich glaube, ich gehe noch mal schlafen.«
    Getreu der Devise, wonach hohe Feiertage am billigsten im Kreise der Familie verbracht werden können, war Sven gestern nachmittag eingetrudelt, hatte sich gegen Abend »nur auf ein kleines Bier« abgeseilt und war vermutlich irgendwann zwischen Mitternacht und Morgen ins Bett gefallen. »Wann bist du eigentlich nach Hause gekommen?« fragte ich beiläufig. »Ich habe dich gar nicht mehr gehört.«
    »Spät. Oder früh, ganz wie du willst. Hab ein paar alte Klassenkameraden getroffen, und da haben wir uns natürlich festgelabert. Als der Pfalzgraf zugemacht hat, haben wir noch bei Erwin weitergebechert. Mens sana in Campan Soda.« Er stöhnte noch ein bißchen lauter. »Am besten lege ich mich noch ’ne Stunde aufs Ohr, mir geht’s nämlich gar nicht gut.«
    Auffallend langsam, als ob er Widerspruch erwartete, schlich er die Treppe hinauf. Sollte er nur, ich wußte genau, wie ich ihn munter kriegen würde. »Dein Bruder kommt heute abend.«
    »Na und?« murmelte er, schien dann aber doch zu begreifen, was ich eben gesagt hatte. »Sascha? Was will der denn hier?«
    »Ostereier suchen«, sagte ich pampig. »Er hat vorhin angerufen und gebeten, daß ihn jemand nachher in Frankfurt abholt.«
    Ungläubig schüttelte Sven den Kopf. »Ich denke, der Kahn ist ein Kreuzfahrtschiff. Wie kommt denn das nach Frankfurt? Der Main hat doch gar nicht genug Tiefgang für so ’n Riesenpott.«
    Da gab ich es auf. »Jetzt steck erst mal dein Haupt unter kaltes Wasser, zieh dich an, und dann reden wir weiter.«
    Doch er ließ nicht locker. »Nu mal im Ernst, Määm, wie kommt Sascha so plötzlich nach Deutschland? Ich denke, der gurkt durch die Karibik?«
    »Dein Vater sucht ihn in der Südsee, du in der Karibik – meine Güte, habt ihr denn noch nie was von Flugzeugen gehört?«
    Ein verstehendes Lächeln zog über Svens Gesicht.
    »Sind das nicht diese modernen Geräte, mit denen man bei schlechtem Wetter schneller als je zuvor dreihundert Kilometer weit von der Stelle entfernt landet, an die man eigentlich wollte?« Ihm mußte wohl noch der Rückflug aus seinem letztjährigen Urlaub in den Knochen stecken, als der Stuttgarter Flughafen wegen
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