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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen?
Autoren: Evelyn Sanders
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entgegenfuhr, doch daß man hinter diesem vermeintlich chinesischen Namen das Kürzel QE II zu suchen hatte, konnte ich nun wirklich nicht ahnen. »Ist das nicht überhaupt das größte Passagierschiff der Welt?«
    »Nee, die NORWAY ist einen Meter länger und noch ein bißchen breiter, deshalb geht sie auch nicht durch den Panamakanal, die muß immer unten rum.«
    Keine Ahnung, was unten rum bedeutete, war mir auch egal. Die QUEEN ELIZABETH kannte jeder, zumindest dem Namen nach, die LIBERTY hatte niemand gekannt, und das hatte mich immer gewurmt. Ich wurde oft gefragt, was denn aus Sascha geworden sei, man sähe ihn ja gar nicht mehr, und wenn ich dann erzählte, er sei als Steward mit der LIBERTY gerade auf Weltreise, hatte ich schon häufig genug zu hören bekommen: »So? Des Schiff kenn i net. Unsers hat LEXORNO g’hoißa, wo mer die Kreizfahrt mit gemächt haba im Middelmeer.« Jetzt konnte ich wenigstens auftrumpfen!
    Doch vorher mußte Sascha noch mal schnell nach England. Wegen Sabine. »Ich glaube, die hat sich umorientiert«, vermutete er, »ihre Briefe wurden immer kürzer und sachlicher.«
    »Wenn du dich bei ihr genauso häufig gemeldet hast wie bei uns, kann ich das verstehen. Schon so manche Liebe ist an der Geographie zugrunde gegangen.«
    Also flog Sascha nach London und war schon zwei Tage später wieder zurück. »Sie hat ’n andern«, freute er sich, »einen Piloten von den British Airways. Jetzt überlegt sie, ob sie nicht auf Stewardeß umsatteln soll. Englisch hat sie inzwischen prima gelernt, aber mit Technik hat sie doch noch nie was am Hut gehabt. Sie müßte ja schon froh sein, wenn sie sich bei der Vorführung der Sauerstoffmasken nicht erwürgt.«
    Anscheinend machte ihm die geplatzte Beziehung überhaupt nichts aus, und das wunderte mich ein bißchen.
    Immerhin hatten die beiden fast zwei Jahre zusammengelebt. »Hast du dich etwa auch – äh, umorientiert?«
    »Auf die Frage habe ich schon lange gewartet«, meinte er grinsend, »aber du brauchst keine Angst zu haben, Schwiegermutter wirst du vorläufig bestimmt nicht.«
    Das zumindest war beruhigend, doch: »Gibt es denn keine hübschen Mädchen an Bord?« Ich dachte an die
Traumschiff-Serie
im Fernsehen und an Steward Viktor, der seine Freizeit häufig mit attraktiven weiblichen Passagieren verbracht hatte – in allen Ehren natürlich, bestenfalls händchenhaltend, weil diese Seifenoper ja im Vorabendprogramm ausgestrahlt wurde. Nach dem dritten hingehauchten Kuß auf die Stirn hatte ich jedesmal den Eindruck bekommen, daß dieser schöne Steward ein geschlechtsloses Wesen sein mußte.
    Sascha war garantiert keins. Bevor er mit Sabine seßhaft wurde, hatte er uns beinahe alle drei Monate eine neue Freundin vorgestellt, bis Rolf ein rigoroses Bräutemitbringeverbot erteilt hatte. Deshalb konnte ich mir auch nicht vorstellen, daß mein Sohn plötzlich der gesamten Weiblichkeit abgeschworen haben sollte.
    Hatte er auch nicht. »Natürlich gibt es mal einen Flirt«, gestand er bereitwillig, »aber was Ernstes ist nie draus geworden. Du kannst doch in einem Heringsfaß keine Forelle angeln.«
    Womit das Thema erst einmal abgeschlossen war.
    Die restlichen Tage bis zu seiner Abreise verbrachte er überwiegend schlafend, und wenn er gerade mal wach war, nervte er. An fangfrische Langusten und gerade vom Baum geholte tropische Früchte gewöhnt, bezeichnete er meine tiefgefrorenen Kabeljaufilets als Fischfutter und die Dosenpfirsiche als Glibber. »Hast du schon mal eine frisch geerntete Ananas gegessen?«
    »Selbstverständlich. Ich lasse sie mir ja täglich von Südafrika einfliegen!« Dieser bornierte Jüngling hatte offenbar sämtliche Maßstäbe verloren und keine Ahnung mehr, wie es in einem deutschen Normalhaushalt zuging.
    Er schwärmte von der chinesischen Küche, die man natürlich nur in Hongkong richtig genießen kann, zählte in allen Einzelheiten auf, was zu einer indonesischen Reistafel gehört, und hatte noch nie ein so exzellentes Steak gegessen wie in Buenos Aires. Wenn man ihm glauben wollte, hatte er sich auf dem Schiff vorwiegend von Kaviar und Hummermayonnaise ernährt (»Auf dem Mitternachtsbüfett steht das Zeug kiloweise herum«), und hätte er uns nicht Fotos gezeigt, auf denen er in Affenjäckchen mit Silbertablett in der Hand zu sehen war, dann wäre mein damals geäußerter Verdacht vielleicht doch wieder aufgeflammt. Schließlich sehnte ich den Tag seiner Abreise regelrecht herbei, und als es endlich soweit
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