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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo
Autoren: Ono Mothwurf
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wach.

12. Arnold
    Er hieß eigentlich Langer. Arnold Otto Langer. Eine Zeitlang fand er es chic, den zweiten Vornamen abzukürzen, also hatte er Arnold O. Langer auf seine Visitenkarten drucken lassen, als er zu SCP kam. Seinen wahren Namen erhielt er aber erst einige Zeit später. Von einer Praktikantin aus Bad Reichenhall. Sie trug den seltenen bayerischen Vornamen Chantal und war deshalb prädestiniert, eine künstlerische Laufbahn in Werbeagenturen oder Tabledance-Bars anzustreben. Außerdem qualifizierte sie eine beträchtliche Oberweite für eine mindestens neunmonatige Praktikantenstelle bei Arnold, der am Tag ihres Vorstellungsgespräches alle Klischees, die man gemeinhin von Kreativen hat, spielend übertraf. Arnold trug eine schwarze Architektenhornbrille, schwarzes, nach hinten gegeltes Haar, schwarze Jeans und ein schwarzes Hemd. Als Chantal sein Büro betrat, um sich zu bewerben, musste Arnold lächeln. Chantal trug einen schwarzen Pagenkopf über einem schwarzen Rollkragenpulli.
    »Passt. Kannst anfangen«, sagte er, ohne ihre Bewerbungsmappe auch nur eines Blickes zu würdigen, stattdessen hatte er ihren Oberkörper ausgiebig betrachtet. Als Chantal ihm nochmals mit Nachdruck ihre Mappe unter die Augen schob, und er ein paar Seiten hastig durchgeblättert hatte, verdrehte Arnold die Augen. »Also, Schätzchen, mach’ dir keine Sorgen, das ist nicht so schlimm. Ich bring dir alles bei, was du wissen musst!«
    Chantals Gesichtsausdruck ließ sich nicht entnehmen, ob sie sich über das Jobangebot freute oder über die Unverschämtheit ärgerte. Irgendwie war ihr beim Eintreten der altmodische Aufkleber unangenehm aufgefallen, der an der hellgrau lackierten Bürotür klebte, als wäre sie das rostige Eingangstor zu einer Autowerkstatt.
    ›WIR BILDEN MÄDCHEN AUS‹ stand da in dicken Blockbuchstaben kreisrund um eine perspektivisch misslungene Illustration von einem blonden Mädchen zwischen zwei Schraubern im Blaumann.
    Chantal hatte den Witz beim Eintreten nicht gleich verstanden, doch nun dämmerte ihr, wie es gemeint sein könnte.

     
    Andere Chantals wären vielleicht entzückt gewesen, von Arnold in seinen Harem aufgenommen zu werden, doch diese Chantal war anders.
    Nach vier Wochen in der Agentur hatte Arnold wirklich jede Art von Anflug versucht, aber landen konnte er nicht. Bei ihrer ersten Sunrise-Party im Underbeachclub nicht. Bei fünf Nachtschichten für zwei Präsentationen nicht. Bei drei Mittagessen nicht und auch nicht bei einer Cabriofahrt in die Schlossgaststätte Leutstätten, wohin das Team ein Kreativmeeting im Biergarten einberief, weil ihnen in der Agentur die Decke auf den Kopf fiel, wie Arnold meinte. Doch was auch immer er sich einfallen ließ, um sie zu beeindrucken, Chantal war immun. Vielleicht sogar allergisch. Ihre in unzähligen Bierzelten gestählten Abwehrkräfte waren zu resistent, um die kleinen Lustbazillenangriffe von Arnold wirken zu lassen.
    Der Timo gefiel ihr, der junge Praktikant, der kaum länger da war als sie. Der war wirklich gut. Ein guter Typ. Ein genialer Comic-Zeichner. Und ein toller Art-Director. Um Klassen besser als Arnold. Aber Timo war ja vergeben, der fuhr abends immer brav zu seiner Selena. Sollte sie sich deshalb mit der zweitbesten Lösung zufriedengeben, und mit Arnold herummachen, wie fast alle in der Agentur?

     
    Nun kam Chantals zweite Sunrise-Party. An dem Abend hatte sie mit wirklich jedem getanzt, ausgiebig mit Timo, ganz am Anfang sogar mit dem alten Schneidervater und lange mit einem aus Berlin angereisten Kreativteam, einem Texter und einem Art-Director, vor denen sie Tom, der Kreativchef, gewarnt hatte: »Pass auf, die machen alles gemeinsam!« Vermutlich der Einzige, mit dem Chantal nicht getanzt hatte, war Arnold. Der hatte gegen halb fünf Uhr früh, als es dämmerte, bereits seinen gierigen Blick aufgesetzt, und alle, die Arnold länger kannten, wussten, welcher Programmpunkt nun kommen sollte, sie hatten es schon öfter erlebt: Arnold würde sich Chantal über die Schulter werfen, mit dem kichernden, zappelnden Mädchen die Treppe hoch laufen und sie von oben in den See werfen. Dann würde er hinterher springen, mit ihr herumtoben, sie würden sich gegenseitig ausziehen und danach würde er sie auf die Arme nehmen, aus dem Wasser tragen und sich mit ihr in die Strandhütte zurückziehen, wo Handtücher und Bademäntel bereitlagen. Klassisches Alphamännchen halt. Auch der weitere Ausgang dieser kleinen heißen Episode war
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