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Titel: Werben
Autoren: Eric Zimmermann
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klingelt jedoch meine Gegensprechanlage. Ich nehme den Hörer in die Hand.
    »Hausierer und Bettler UNERWÜNSCHT!«, brülle ich in die Sprechmuschel.
    »Mach keinen Quatsch und drück auf!«, höre ich Birgits Stimme zusammen mit dem Plätschern eines sintflutartigen Regens. Was soll ich schon machen? Den Türöffner drückend eile ich ins Schlafzimmer, um meine Blöße zu bedecken. Blöd nur, dass ich keine frische Unterhose finden kann. Vollkommen gleich! Schnell streife ich mir eine Jeans über und komme mir so lasziv vor wie einst Brad Pitt, dessen Karrierestart ein Levis-Werbespot gewesen ist. Ich könnte mir natürlich auch einen Lendenschurz umbinden, aber wie man das macht, weiß ich nicht.
    Zugleich hämmert jemand auf die Tür ein: »Mach auf, du Idiot!«
    »Ja, ja. Sofort. Bin ja fast da!«, gebe ich der hysterischen Stimme aus dem Hausflur zur Antwort.
    Die massive alte Holztür schwingt zur Seite und ich kann in das besorgte Gesicht meiner Schwester blicken. Pitschnass fällt sie mir um den Hals.
    »Herr Gott, Andreas. Wir haben uns alle tierische Sorgen gemacht!«, sie stutzt einen Moment und schnüffelt wie ihr entlaufener Hund Felix. »Wann hast du das letzte Mal geduscht? Du stinkst wie ein Iltis. Deine Haare stehen vor Fett und seit wann trägst du einen Vollbart?«
    »Das ist mein neuer Look. Ich versuche, für die armen Kinder Afrikas Wasser und Energie zu sparen. Und findest du es nicht toll: Aus dem Flaum kann doch noch ein echter Bart wachsen.«
    Der Stolz über meine neu entdeckte haarige Männlichkeit, scheint Birgit nicht die Bohne zu interessieren. Ungläubig streift ihr Blick über meine Diele.
    »Wie sieht’s denn hier aus? Vermietest du deine Räume jetzt an die städtische Müllentsorgung?«
    »Blödsinn. Das gehört alles zu meinem Wissenschaftsprojekt Lebensraum für Ungeziefer . Ich wollte zu dem Thema schon immer was auf Wikipedia veröffentlichen«, gebe ich als perfekte Antwort.
    »VERDAMMT. Jetzt hör auf, mir was vorzumachen! Ich weiß über alles Bescheid. Chris hat mir fast eine Stunde sein Leid geklagt. Deine Kollegin Lea ist ebenso ziemlich fertig und weiß nicht, was sie machen soll.«
    Aha – sehr gut. Die beiden fühlen sich auch beschissen. So muss es sein. Neben dem zufällig gefundenen Reinigungsmittel die zweite positive Nachricht des Tages.
    »Ja. Was willst du denn hören? Es geht mir doch super. Guck doch – hier!«, ich zeige auf die geleerten Cola-Dosen aus meiner umfangreichen Kollektion. »Hast du mir nicht seit Jahren in den Ohren gelegen, dass ich die Dinger wegwerfen soll? Und schau in die Küche. Mein ausgeprägter Putzfimmel war dir doch auch immer ein Dorn im Auge. Mir geht es klasse. Muhahahahahahaha  …«
    Mein Lachen klingt durch den natürlichen Hall-Effekt des Eingangsbereichs irgendwie unheimlich. Birgits Augen werden feucht. Wahrscheinlich sollte ich mein Verhalten nochmals überdenken.
    »Weißte was … wir machen hier jetzt zuallererst sauber und ich rasier Dich. Du siehst aus wie Vadder Abraham.«
    Die Schlümpfe habe ich immer sehr gemocht. Aber das Lied dieses Holländers habe ich stets gehasst – das ist ein gutes Argument.
    Ganze vier Stunden benötigen wir zum Säubern der Wohnung. Während der Arbeit schaffe ich es gerade so, eine Stange Mentholzigaretten vor Birgit zu verstecken. Sie wäre wohl wenig begeistert, wüsste sie, dass ich nach zwei Jahren Abstinenz wieder Nikotin durch meinen Körper gejagt habe. Auch wenn sie großer Helmut-Schmidt-Fan ist und anmerken könnte, dass der Altbundeskanzler und ich dieselbe Marke bevorzugen.
    Mein Laptop finden wir letztendlich auch wieder. Der erste Verdacht mit der Schmutzwäsche war zur Hälfte richtig, hätten wir in der Waschmaschine nachgeschaut, wären wir sogleich fündig geworden.
    Kaum ist alles wieder sauber, ich rasiert und in frischen Klamotten, merke ich schlagartig, dass die neu gewonnene Hygiene auch mein Gemüt ordnet. Mittlerweile ist es früh am Abend.
    Birgit und ich sitzen in meiner OP-Saal-sauberen Küche und sprechen über das Geschehene. Das Weinen scheine ich nicht verlernt zu haben – das Lachen gehört allerdings ebenso zu meinem Repertoire.
    Meine Schwester schafft es, mich aufzuheitern. Gemeinsam schmieden wir Eroberungspläne für (fast alle) Frauen dieser Erde. Zudem tritt sie mir mehrfach verbal in den Hintern. Sie bestärkt mich in dem Vorhaben, endlich meine Bewerbungsunterlagen für das Design-Institut der Fachhochschule Köln einzureichen, um mein
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