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Titel: Werben
Autoren: Eric Zimmermann
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hinüber. Und auch sie guckt nun glücklicher als vor wenigen Momenten – kein Wunder, hat doch gerade ihr Telefon geklingelt. Leicht hektisch kramt sie es aus der Handtasche hervor. Der Blick auf das Display scheint ihre Stimmung sogar weiter zu heben. Denn ehe sie durch ihr fröhliches »Hallo« wissen kann, wer am anderen Ende der Leitung ist, leuchten ihre Augen zum ersten Mal an diesem Tage.
    Für dieses intensive Strahlen liebe ich sie. Ganze Straßenzüge sollte man damit erhellen. Den Eiffelturm könnte man stromsparend mit dieser Ökokraft beleuchten. Die Energieprobleme unseres Planeten wären mit einem Schlag gelöst.
    Mit wem sie telefoniert, weiß ich nicht. Das Gespräch dreht sich um einen Konzertbesuch. Tom Lüneburger sei in Köln aufgetreten. »Im Blue Shell«, vernehme ich.
    ›Da werde ich mal nachhaken müssen, wann das war!‹, nehme ich mir vor.
    Ich seufze innerlich. Wunderschön – romantische Musik für eine wunderschöne Frau. Über solch himmlische Wesen, wie sie eines ist, schreibt dieser Tom sicher seine Lieder. So ein Sänger schleppt mit seinen tollen Songs natürlich eine Frau nach der anderen ab.
    Schon singe ich im Geiste seinen Hit We Are One , den er mit der Frontfrau der Band Silbermond aufgenommen hat.
    Der Tom – der hat es drauf! Zumal mich Rampensau Steffi Kloß aus irgendeinem Grund an den Engel erinnert, der mir gegenübersitzt und frühstückt.
    Auch mir wäre es wieder danach, Lieder zu schreiben. Kunst zu schaffen, die sich nur mit ihr beschäftigt: Bildhauerei, das Basteln von Kastanienmännchen oder Zeichnen. Egal – irgendwas möglichst Unvergängliches muss es sein.
    Sie beendet ihr Gespräch. Das Lächeln weicht nun einem recht gelangweilten Gesichtsausdruck. Ob ich ihr vielleicht zur Aufheiterung einen Witz erzählen sollte? Am besten den Klassiker, bei dem ich bislang niemals die Pointe versaut habe: »Steht ein Einarmiger vor einem Secondhandladen.«
    Nein, ich lasse es sein. Nach der unflätigen Bemerkung von vorhin denkt sie sonst, dass ich zudem etwas gegen körperlich Behinderte habe. Stattdessen halte ich lieber weiterhin den Mund und öffne ihn schließlich erst wieder, um einen letzten Schluck zu trinken. Mittlerweile hat sie ihr Croissant aufgegessen. Ob sie wohl ein wenig von meinem heißen Kaffee haben will?
    Doch zum Fragen komme ich nicht mehr. Sie steht auf und packt ihre Sachen zusammen. Ein Gong ertönt, gefolgt von der blechern klingenden Stimme: »Nächster Halt: Aachen – Hauptbahnhof. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.«
    Sie verlässt den Regionalexpress lange vor mir und verschwindet in der Menschenmenge, die sich aus dem Zug über den Bahnsteig ergießt. Auch ich packe meine sieben Sachen zusammen: Thermoskanne, Zeitung sowie Umhängetasche und gehe.
    ›Wann werde ich endlich den Mut aufbringen, sie anzusprechen?‹, frage ich mich innerlich.
    »Du bist ein liebestoller Horst!«, sage ich leise zu mir selbst, so wie an jedem Morgen der vergangenen drei Jahre.

Zweites Kapitel

    Das Biotop der Bekloppten

    Noch leicht verärgert über mich selbst, überquere ich den Bahnhofsvorplatz und beginne mit meinem Frühsport. Kein körperlich anstrengendes Jogging, sondern Gehirntraining!
    Auf dem Fußweg zur Arbeit sinniere ich immer über die großen Dinge, welche die Welt bewegen. Thema heute: Die Frage, woher wohl die Redensart stammt, dass Vollidioten wie ich Horst genannt werden …
    Erste Überlegungen führen mich zu dem Schluss, dass ein populärer TV-Moderator Mitschuld an dieser Namensverunglimpfung tragen könnte. So erinnere ich mich an eine uralte Ausgabe der Oliver Geissen Show .
    Eine seiner Krawall-Heul-Laber-Sendungen behandelte vor Ewigkeiten nämlich das Thema, wie Vornamen auf andere Menschen wirken. Der Zuschauer konnte – besser musste – damals von Oli und seinen illustren Gästen erfahren, dass Kinder mit dunklen Vokalen in ihren Vornamen eher gehänselt werden, als solche mit hellen Vokalen.
    Ergo müsste es ein Michael – dieser Theorie nach – in der Kindergartengruppe einfacher haben, als ein Udo oder eben ein Horst.
    Ich bin mir nicht mehr sicher, aber wie üblich dürfte Herr Geissen bei den Tatsachenberichten der Betroffenen mit investigativ journalistischer Kompetenz geglänzt haben: »Jo, das ist aber ein schwieriges Thema. Wir haben hier ja sonst eher so Vaterschaftstests!«
    Nebenbei sehe ich etwas anderes vor meiner geistigen TV-Mattscheibe: ein mit schwarzem Balken abgedecktes Gesicht, welches
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