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Werben

Werben

Titel: Werben
Autoren: Eric Zimmermann
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französischem Namen sowie Pass, aber osteuropäischem Akzent vor mir steht, erinnert mich an Thomas aus der Buchhaltung. Dieser hatte einst behauptet, dass der Colonel mehrere Menschen auf dem Gewissen habe und deswegen nach seiner Entlassung aus der Legion sein Recht auf Namensänderung wahrgenommen hatte.
    Während der Colonel ein paar letzte Schrauben in die Mauer dreht, um unser – Gott sei Dank – erneuertes Firmenschild zu montieren, steige ich in den Aufzug. Ein letzter versichernder Blick in den Spiegel der kleinen Kabine, ein Zurechtrücken meines Hemdkragens und ich stehe vor dem Eingang unserer Büroräume auf Etage 5.
    Aha! Auch hier hängt schon ein neues Schild inklusive aktueller Firmierung. BIG-Design – Werbeagentur ist dort zu lesen.
    Neu ist der Begriff Agentur . So hatten unsere Marketingfuzzis herausgefunden, dass Otto Normalverbraucher mit dem alten Ausdruck Werbeatelier nichts mehr anzufangen weiß. Daraufhin hatte unser Chef Herr Beaujean – das B in BIG – beschlossen, die Firmierung zu ändern, in der Hoffnung, dergestalt noch mehr Kunden für unsere Gesellschaft zu gewinnen. Ein weiteres Resultat einer unnütz dämlichen Studie – da bin ich mir sicher. I und G hatten sowieso kein Mitspracherecht mehr bei dieser Entscheidung, da sie sich vor einiger Zeit – mit einer hübschen Summe veruntreuten Geldes – in die Karibik abgesetzt hatten.
    Die Tür fällt hinter mir ins Schloss und somit beginnt der Spießrutenlauf vorbei an den lieben Kollegen. Mein Schreibtisch steht ziemlich am Ende unseres riesigen Lofts, dem wahren Zuhause meiner vergangenen fünfundvierzig Singlemonate.
    Wüsste ich nicht, dass es sich bei meinem Arbeitgeber um eine Werbeagentur handelt, so käme man sich hier vor wie in einer Irrenanstalt. Das sterile Ambiente stimmt jedenfalls – einzig ein paar Pfleger fehlen. Hochglanzweiß lackierte Möbel und helle Wände so weit das Auge reicht – dazwischen edel wirkende Schreibtische mit verchromten Stahlrohrgestellen und perlgrauen Arbeitsplatten. Der schwarze Natursteinboden gleicht einer riesigen blitzenden Spiegelfläche, worin man sich selbst und auch jeden Dreck sofort sieht. Eindeutig: Bei uns würden sich eitle Menschen wohlfühlen.
    Einzige Farbtupfer bei BIG sind die vielen Angestellten. Auch wenn diese meist – sehr uniform – schwarze Klamotten tragen. Bunt sind bei uns eben nur die Layouts.
    An meinem Arbeitsplatz angekommen fällt mir zunächst die Kinnlade herunter. Was muss ich sehen? Mir so verhasste Unordnung! Stapelweise Unterlagen haben sich da seit gestern Nachmittag angehäuft. Und zu schlechter Letzt hat es niemand für nötig gehalten, die Akten im rechten Winkel zur Tischkante auszurichten.
    »Hat denn niemand Mitleid mit dir?«, stöhne ich.
    Selber schuld, kommt mir der Gedanke. All die Arbeit hätte gestern schon erledigt sein können, hätte ich mir nicht wegen des wichtigen Minigolfturniers mit Chris ab vierzehn Uhr freigenommen.
    Letztendlich entdecke ich noch ein Ärgernis mehr … nur Lügen haben kurze Beine – ich nicht! Wer hat denn hier die Frechheit besessen, meinen Stuhl zu benutzen? Ich setze mich hin und pumpe ihn erst mal höher. Es wird Zeit, eine Freundin zu bekommen, sie würde solche Dinge nichtig erscheinen und meine Energie besser ausnutzen lassen. Ohnehin fehlt es mir letzthin ein wenig an Kraft. Dazu passend habe ich unlängst in der Apotheken Umschau gelesen, dass zehn Minuten Aufregung am Tag den Vitamin-C-Vorrat des Organismus um fünfzig Prozent verringern. Da ich mir seit geraumer Weile einbilde, Hypochonder zu sein, mache ich eine Notiz, in der nächsten Zeit einen Arzttermin auszumachen.
    Endlich erblicke ich ein freundliches Kollegengesicht.
    Moss Man tritt in die Nähe meines Schreibtischs und knallt noch ein paar Unterlagen mehr auf das massive Schweizer Möbelstück.
    »Hey, Moss Man!«, sage ich.
    »Hey, Andy!«, antwortet er.
    Moss Man – eigentlich Jan Nowak mit richtigem Namen – ist ein guter Freund und Kollege. Einer der wenigen Leute, die die Arbeit im Biotop der Bekloppten erträglicher machen. Obwohl er mit seinen knapp dreißig Jahren etwas älter ist als ich, verstehen wir uns prächtig. Seinen Spitznamen hat er übrigens der Tatsache zu verdanken, dass er massenweise alte He-Man-Figuren neben seinem Monitor stehen hat und bis vor Kurzem einem Klischee des Grafikerdaseins folgte: Er hatte seine Haare außergewöhnlich gefärbt – in Froschgrün. Grün wie eben jener Held
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