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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Händen ein siebenschüssiges Gewehr. »Soll das ein Abschied sein?«
    »Es gibt Augenblicke der absoluten Wahrheit, Anne. Jetzt ist so ein Augenblick.« Er beugte sich zu ihr hinunter und küßte sie auf die Stirn. Da erst sah er, daß sie weinte, lautlos, mit unbeweglichem Gesicht; die Tränen liefen ihr über die Wangen. »Hast du Angst?« fragte er.
    »Ja.«
    »Und du, Paul?«
    »Ich auch, Vater.«
    »Auch ich habe Angst.« Bäcker blickte hinunter zum Strand. Die erste Welle der Kriegsboote war innerhalb der Lagune und wartete, bis die drei anderen Reihen über die Korallenbänke hinweg waren. »Aber wir werden es durchstehen, Anne. Wir werden überleben, mein Junge.«
    »Sie werden nicht so dumm sein und stürmen, Vater.«
    »Darin liegt vielleicht unsere einzige Chance. Wenn wir sie bis zum Mittag aufhalten können, ist die Hilfe aus Papeete und Atuana da. Wir müssen es schaffen …«
    Die erste Bootsreihe knirschte in den Ufersand. Es war ein fast militärisches Anlegemanöver: Drei Krieger blieben im Boot, um es sofort wieder ins Wasser zu stoßen, wenn es nötig war. Die Häuptlinge mit ihrem riesigen Federschmuck stiegen als erste an Land, ihnen folgte der Medizinmann mit durchdringenden, schrillen Schreien. Dann kamen die Krieger, geduckt hinter grellbemalten Holzschildern, die langen Speere gesenkt, ein tödlicher Igel. Dahinter hockten die Blasrohrbläser mit ihren kleinen, dünnen, vergifteten Pfeilen.
    Bevor Anne aufspringen und ihn festhalten konnte, war Bäcker hinter seinem schützenden Palmenstamm hervorgetreten und schwenkte das weiße Tuch. Er ging bis an den Rand der Böschung … ein letzter verzweifelter Versuch, als Mensch zu Menschen zu sprechen. In dreizehn Jahren hatte Bäcker zwei Eingeborenendialekte gelernt, und er hoffte, daß sie ihn verstehen würden.
    Die Krieger starrten nach oben auf den einsamen weißen Mann. Das Geheul des Medizinmannes steigerte sich, unter seinen stampfenden Beinen wirbelte der Sand hoch. Dann lief ein Zucken durch die Reihen, und ein hundertstimmiges Gekreisch antwortete ihm.
    So ist das immer, dachte Bäcker voll Bitterkeit. Einer peitscht auf, und die idiotische Masse rennt in das Verderben. Darin sind alle Menschen gleich: Man kann sie aufhetzen bis zum sinnlosesten aller Selbstmorde – dem Krieg.
    »Hört mich an!« schrie Bäcker. Er schwenkte wieder das weiße Tuch. »Wir leben hier in Frieden. Wir stören eure Toten nicht, und wir beleidigen eure Geister nicht. Laßt uns Freunde sein! Ich werde euch Ziegen und Schweine geben, Fett und Butter …«
    Ein Schuß unterbrach ihn. Ein einzelner, dünner Revolverschuß, der irgendwo hinter einem dieser bunten Holzschilde abgefeuert wurde. Er schlug in Bäcker ein. Er zuckte zusammen, verzog das Gesicht und taumelte die vier Schritte bis zur schützenden Palme zurück. Dort erst, außerhalb der feindlichen Sichtweite, hielt er sich am Stamm fest und rutschte langsam an ihm herunter. Aus seiner linken Schulter sickerte Blut.
    »Sie haben ihn getroffen!« schrie Anne. »Paul! Sie haben Vater getroffen! Zieh ihn zurück …«
    Sie blickte Bäcker an, und als er den Kopf hob, lächelte sie ihm zu und sagte: »Bleib ganz ruhig liegen, Liebling. Ganz ruhig … Paul ist schon da.«
    Sie wartete, bis Paul mit langen Sprüngen bei ihm war und ihn tiefer zwischen die Bäume und zum Haus schleifte. Dann drehte sie sich um, preßte den Gewehrkolben an die Schulter und schoß.
    Ganz ruhig, wie ein Automat, schoß sie das Magazin leer, griff zu dem anderen Gewehr und feuerte weiter, und jeder Schuß traf sein Ziel, jedes Krümmen des Zeigefingers kostete ein Leben.
    »Das ist Anne Perkins –«, hätte Shirley vielleicht jetzt gesagt. »Sehen Sie sich diese Frau an, Bäcker. Kalt bis unter die Haarwurzeln. Und dabei ist sie das brennendste Leben: ein Wunder. Begreifen Sie nun, daß sie ihrem Mann die Kehle durchschneiden konnte? Und so was wollen Sie heiraten?«
    Shirley, der Polizist, der den Beweis für Anne Perkins' Unschuld nicht mehr erlebt hat.
    Auf dem gelbweißen Strand lagen die Toten. Der Medizinmann stand hinter einem mannshohen Schild und kreischte, die Häuptlinge brüllten, eine dreifache Reihe Krieger setzte sich in Bewegung. Ein Hagel von Pfeilen und Blasrohrbolzen schwirrte über den Hang, aber traf nur die Büsche und Bäume oder verlor sich im Blau des Himmels.
    Anne schoß weiter. Sie blickte nicht zur Seite, als Paul neben sie fiel und die beiden Schrotflinten an sich zog.
    »Mutter –«, sagte er
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