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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Entsetzen fallen.
    Die Flotte der Kriegsboote zog sich jetzt in die Breite. In Viererreihe paddelten sie heran, vorweg die drei großen Häuptlingsboote. Die Federn und Bänder flatterten im Wind.
    Es war ein faszinierend schöner Tod, der da heranschwamm im Morgenglanz der aufgehenden Sonne.

II
    Die Kanus und Auslegerboote kamen schneller heran, als Bäcker berechnet hatte. Kopf an Kopf, dicht gedrängt, hockten die Papuakrieger in den Booten. Hunderte von Paddeln trieben sie mit der Flut gegen die Insel, und jetzt war auch der wilde, anfeuernde Gesang zu hören, der hackende Rhythmus, nach dem die Paddel ins Meer stießen.
    Paul und Anne hatten alles zur Verteidigung vorbereitet. Sie besaßen vier Gewehre, zwei Schrotflinten, tausend Schuß Munition, eine Kiste mit dreißig Handgranaten und zwanzig rote und weiße Leuchtkugelpatronen. Vor ihnen lag der weiße Strand, das Haus stand oben auf dem Hügel; wer es erstürmen wollte, mußte also erst den Strand überwinden, einen deckungslosen Streifen, eine Zielscheibe, an der kein Schuß vorbeigehen konnte.
    Anne hatte in den vergangenen Jahren schießen gelernt … sie schoß eine Wildente im Flug, und bei den Fahrten zu den Marquesas hatte sie oft vorn am Bug der Jacht gesessen und hatte mit einer grausamen Ruhe und Sicherheit Haie in dem Augenblick erlegt, da ihre dreieckige Rückenflosse hoch durch die See pflügte. Oder sie warf Abfälle über Bord, wartete, bis die Haie heranhuschten, dicht unter der Wasseroberfläche, und traf dann jeden dieser schaurig-schönen Fischleiber.
    Paul war mit dem Gewehr aufgewachsen. Er konnte eher schießen als schreiben und lesen. Aber Bäcker hatte ihm beigebracht, nur in der Not und zur Beschaffung von Nahrung zu schießen, nie jedoch auf einen Menschen zu zielen. Als Paul später bei Annes Geschichtsunterricht notgedrungen auch von Kriegen erfuhr, fragte er einmal: »Hat denen denn keiner gesagt, daß man auf Menschen nicht schießen darf?«
    Und Bäcker hatte geantwortet: »Doch. Sie wissen es alle, mein Junge. Alle Menschen wissen es. Aber sie schießen sich immer wieder gegenseitig tot, wahrscheinlich, weil es ihnen zu gutgeht. Das ist nämlich das merkwürdige, mein Junge: Je besser es einem Menschen geht, desto grausamer wird er.«
    Jetzt war alles anders. Sie hatten zwanzig Jahre an einer schöneren Welt gebaut, sie hatten dreizehn Jahre geschuftet und wollten es auch noch weitere zwanzig Jahre tun, nur für den einen Zweck, allein und in Frieden zu leben … aber nun griffen vier Reihen Kriegskanus an, und das Geschrei der Krieger übertönte das Gekreisch der aufgeschreckten Vogelschwärme auf den Felsen.
    Bis zu dem Augenblick, da die erste Reihe der Boote mit den Flutwellen über die Korallenbarriere setzte, hatte Paul mit Papeete und Atuana über Funk gesprochen.
    »Wir schicken drei Flugzeuge!« rief der französische Truppenkommandeur in Papeete. »In zwei Stunden können sie bei euch sein …«
    »Zu spät.« Paul drehte auf die Frequenz von Atuana.
    »In einer Stunde ist unser Patrouillenflugboot da.«
    »Zu spät.« Paul drückte die Stop-Taste. Viktoria-Eiland meldete sich nicht mehr. Vielleicht für immer.
    Anne lag hinter einem Stapel von Palmstämmen und hatte alle Waffen um sich herumgelegt. Die Munitionskästen waren aufgeklappt, alle Gewehre geladen und entsichert. Es gab nichts mehr zu tun, als zu warten. Bäcker stand hinter einer dicken Palme, unbewaffnet, ein weißes Tuch in der Hand. Er hatte Anne versprochen, nicht hinunter zum Strand zu gehen, sondern von hier oben mit den Häuptlingen zu sprechen.
    »Wenn du hinuntergehst, komme ich mit!« hatte Anne gesagt. »Ich und Paul!«
    Er wußte, daß es sinnlos war, dagegen aufzubegehren. Sie ist eine Frau, die dem Teufel in den Magen boxt, dachte er. Auch heute noch sieht sie aus wie aus Porzellan gemacht, aber wieviel Kraft hat sie mir schon gegeben, mir, dem großen, starken Kerl, der ohne sie nicht mehr leben könnte. Sie ist das eigentliche Paradies in diesem Paradies … Anne, du bist eine wunderbare Frau.
    Er blickte zu Paul hinüber, der von dem kleinen Sender zurückkam. »Nun?« fragte er.
    »Papeete in zwei Stunden, Atuana in einer Stunde.«
    »Auch das wäre schon ein halbes Wunder. Anne …«
    Sie blickte hoch. In ihren großen braunen Augen stand die Angst. »Ja?«
    »Unser Sohn soll es hören: Ich liebe dich! Ich liebe dich so, daß es dafür keine Worte gibt.«
    »Ich weiß es, Liebling.« Sie kniete hinter dem Holzstapel, in beiden
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