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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hätten in Deutschland bleiben können. Aber wie war das damals, vor dreizehn Jahren? Du und Paul, ihr standet an der Ostsee, und Paul sagte: ›Ich friere, ich will zurück auf meine schöne Insel!‹ Und ich habe dich angesehen und das gleiche in deinen Augen gelesen.« Sie lehnte sich gegen Bäcker und legte das Gesicht an seine Brust. Als er sie an sich zog, spürte er ihr innerliches Zittern. »Es waren schöne Jahre, Liebling«, sagte sie. »Herrliche Jahre. Was haben wir alles geschaffen, was haben wir aus der Insel gemacht …«
    »Und das alles sollen wir jetzt wegwerfen? Wegen eines seit Christi Geburt sinnlosen heidnischen Denkens? Nur weil da hinten am anderen Ende von Viktoria-Eiland ein aus Holz geschnitzter Götze steht? Verdammt, was ich zwanzig Jahre lang nie wollte, morgen tue ich es: Ich hacke diese Götterfratze um! Ich stürze ihren Gott vom Thron!«
    »Sie werden uns Tag und Nacht angreifen, Liebling.«
    »Ich werde Militär aus Papeete und Atuana anfordern!«
    »Ja, das wirst du tun.« Sie blickte zu ihm hoch. Noch bevor sie weitersprach, wußte er, daß sie wieder recht hatte, ganz gleich, was sie jetzt sagte. »Und was ist dann übriggeblieben von deiner eigenen heilen, friedlichen Welt? Viktoria-Eiland von Militär besetzt, überall Maschinengewehre, der weiße Sand rot von Blut, in den Lagunen die Leichen der Erschossenen, vor den Klippen ein Heer von Haien, angelockt von dem süßen Geruch des Blutes … hast du dafür zwanzig Jahre gelebt?«
    »Er stirbt, Vater!« schrie hinter ihnen in diesem Augenblick Paul auf. »Tu etwas, Vater, tu etwas! Ich wollte doch nie einen Menschen töten!«
    Bäcker drehte sich um. Ein dünner Blutfaden rann aus dem linken Mundwinkel des Eingeborenen. Er atmete schon nicht mehr, als sich Bäcker über ihn beugte. Das Blut versiegte, die fast schwarzen Augen überzog jener rätselhafte Schleier, als breite der Tod wirklich einen Vorhang über das Leben.
    »Er war nicht mehr zu retten, Paul.« Bäcker führte seinen Sohn von der Leiche fort. Er legte den Arm um seine breiten Schultern und dachte dabei: Welch kräftiger Bursche ist er. Breiter als ich, strotzend vor Kraft. Sonne, Wind und Meer haben ihn geprägt. Er ist Annes und mein Kind, und doch so vollkommen ein Sohn dieser grandiosen und schrecklichen Natur. Aber seine Seele ist empfindsamer als eine Blume – in diesem muskelbepackten Körper schlägt ein weiches Herz. Anne hat recht. Wenn der Kampf um die Insel beginnt, sollte zumindest Paul nicht mehr hier sein.
    Sie gingen gemeinsam zum Haus, setzten sich dort auf die lange Bank, von der aus man den Strand und das Meer überblicken konnte, und Bäcker hielt immer noch seinen Sohn umfaßt, als sei er ein kleiner Junge und habe Schutz bei ihm gesucht.
    »Du hast bei Mutter und mir viel gelernt«, sagte er. Eine unbeschreibliche Zärtlichkeit war in ihm, aber gleichzeitig auch die Angst, vielleicht zwanzig Jahre lang alles falsch gemacht zu haben. »Du hast aus Büchern viel Wissen geschöpft, du weißt genausoviel wie andere Jungen deines Alters. Vielleicht kannst du sogar mehr. Aber dieses ganze Wissen, Paul, ist sinnlos, wenn …«
    »… wenn man damit Menschen tötet, Vater!«
    »Auch! Aber ich wollte etwas anderes sagen. Du kennst nur eine Seite des Lebens … den Frieden von Viktoria-Eiland. So aber ist das Leben nicht, mein Junge.«
    »Ich weiß, Vater.« Paul lehnte sich zurück. »Wenn man die Nachrichten im Radio hört … wenn ich an Papeete denke …«
    »Papeete ist ein armseliges Nest, Paul. Ich komme aus einer anderen Welt. Ich war ein Mann von 35 Jahren, als ich auf diese Insel angeschwemmt wurde, ich habe den grausamsten aller Kriege miterlebt, bin in einem Trümmerfeld aufgewachsen, habe in Ruinen gespielt und in durchlöcherten Kellern gewohnt. Man hat mir von dem Augenblick an, da ich denken konnte, beigebracht, wozu der Mensch fähig ist. Das genügte, um in Viktoria-Eiland ein Paradies zu sehen. Trotz des Toten-Totems in unserem Rücken. Ich meine, es wäre falsch, dich hier wie einen Baum wachsen zu lassen. Trotz deines Wissens, deiner Bücher, deiner Intelligenz weißt du nichts von der Welt und den Menschen!«
    »Ich will auch gar nichts wissen, Vater!« sagte Paul selbstbewußt. »Mir genügt unsere Insel.«
    »Und wenn du sie verteidigen mußt, weinst du. Paul, du solltest deine Nase einmal hinaus in die andere Welt stecken. Was hältst du davon, wenn du auf einer großen Pflanzung arbeiten könntest? Auf Hiva Oa oder auf
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