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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ausgabedienst für Liegestühle und Sandschaufeln hatte, widerstand der Versuchung, einen Kurgast, der Prof. Dr. Pütz hieß und als Professor sicherlich einen Rat geben konnte, zu fragen und seinen Fund zu zeigen. Und er fragte ihn nur deshalb nicht, weil sich Lüders nicht ganz sicher war, ob er sich mit seiner Flasche nicht doch lächerlich machen würde. Aber als er am späten Nachmittag abgelöst wurde und mit dem Rad nach Hause, in sein kleines hinter die Dünen geducktes Klinkerhaus gefahren war, wurde in ihm ein unerklärbarer Drang mächtiger und bestimmender.
    Er stellte die Flasche auf den Tisch, setzte die Lampe daneben, umkreiste den Fund wie ein Forscher eine ausgegrabene ägyptische Vase, strich sich durch den Bart und beschloß nach langem Nachdenken, die Flasche doch der Polizei zu zeigen. Nur zeigen, nur um einen Rat zu hören, obwohl er wußte, daß ihm auch dort ein verhaltenes Grinsen antworten würde. Der Südsee-Lars mit einer Flaschenpost … eine neue Kursensation?
    Lüders hockte sich auf einen Stuhl vor die Flasche und starrte auf das zusammengeknüllte bräunliche Papier. Wirf sie weg, dachte er. Sie macht dich lächerlich. Gestern hat sie ein Junge in die See geworfen, und du alter Idiot fischst sie heute raus und läßt dich übertölpeln.
    Aber es waren erzwungene Gedanken. Etwas anderes in ihm behielt die Oberhand: ein nicht greifbarer Drang, eine unhörbare Warnung, dieses Glas mit dem vergilbten Papier nicht wieder zu dem anderen Strandmüll zu werfen.
    »Hol di steif!« sagte er nach langem Nachdenken zu sich. »Lars, laß sie lachen!«
    Er steckte die Flasche in einen Plastikbeutel, auf dem ›Inselbraun durch Solecreme‹ stand, sicherte durch einen Spalt der Haustür, daß niemand in der Nähe war, und hinkte im Schutz der Dunkelheit und auf Umwegen zur Polizeistation.
    »Die Übermittlung der Post per Flasche ist seit Einführung der Briefmarke kaum noch möglich«, grinste Hauptwachtmeister Karl Bergsen, der Nachtdienst hatte und sich mit einer Kanne Tee beschäftigte. Er vermied es dadurch, noch fröhlicher zu werden, denn Lüders hatte gleich an der Tür gesagt:
    »Korl, 'ne Dienstsache. Lach nich … mir is ernst damit.«
    Bergsen schüttete sich erst eine Tasse Tee ein, zelebrierte das Eingießen von Sahne und die Zugabe von Kandiszucker – eine Tee-Zeremonie, die einen Friesen eigentlich eng mit einem Japaner oder Chinesen verbinden müßte, denn allen dreien ist das Teetrinken eine sakrosankte Handlung –, trank einen vorsichtigen Schluck des heißen, qualmenden Getränkes und kümmerte sich dann notgedrungen um die Flasche. Lüders klopfte mit dem Knöchel gegen das Glas – man konnte das Thema nicht wechseln und gnädig mit ihm sein.
    »Sag bloß, die kann echt sein …« Bergsen umging damit die Aufforderung, mitsamt der Flasche die Polizeiwache zu verlassen.
    »Die Nachtflut –«, sagte Lüders. »Korl, die Nachtflut hat sie gebracht.«
    »Die bringt viel. Davon lebste doch, Lars.«
    »Ich hob so'n komisches Gefühl. Mach de Buddel auf, Korl. War voller Algen und Tang, als se an Land kam. Von gestern ist sie nich.« Er tippte mit dem Zeigefinger auf den Verschluß. »Ganz verrostet –«
    »Das geht im Meerwasser schnell, Lars, das weißte doch. Salz, die Luft, und dann oxydiert alles … Korrosion nennen sie das.« Bergsen holte die Flasche auf seinen Schreibtisch, streckte den Kopf vor, betrachtete den Zettel genau und versuchte den Klemmverschluß herumzudrücken. Obwohl Bergsen ein kräftiger Mann war, gelang es ihm nicht.
    »Wenn das so einfach wäre … ja …«, sagte Lüders gedehnt.
    »Dann zerkloppen wir se … amtlich!« sagte Bergsen. »Von den alten Phöniziern wird die Flasche nicht sein … die kannten noch keinen Bügelverschluß.« Er zog die Schublade auf, holte einen kleinen Hammer heraus – warum Hauptwachtmeister Bergsen einen Hammer in seinem Schreibtisch liegen hatte, weiß keiner, mit der mangelhaften Bewaffnung der deutschen Polizei hatte es sicherlich nichts zu tun – und visierte die Flasche an.
    »Vorsicht, Korl!« brüllte Lüders. »Das Papier!«
    Bergsen holte aus. Das Glas klirrte, die Splittet spritzten über den Tisch. Der zusammengefaltete Zettel flatterte wie ein kranker Vogel, fiel über die Scherben und brach an der linken Ecke ab.
    »Morsch wie Zunder!« sagte Bergsen verblüfft.
    »Von vorgestern ist er also nich«, sagte Lüders mit Triumph in der Stimme. »Und Papier rostet nich … aber es wird brüchig … Wat segst di
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