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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus der Seemannskiste kann man die ›Saure-Gurken-Zeit‹ beim ›Globus‹ unterpflügen. Das Geheimnis des Meeres ist ebensogut an den Mann zu bringen wie die Erinnerungen eines Arztes. Es kommt auf die Schreibe an; der eine kocht Blumenkohl, und er schmeckt wie Rüben, und ein anderer kocht auch Blumenkohl, und der zerfließt auf der Zunge, wie aus Sahne gemacht.
    Hellersen griff in den umgehängten bunten Bademantel, holte eine Packung Gauloises heraus und hielt sie Lüders hin. Der nickte, bediente sich, riß sein sturmsicheres Feuerzeug an und blies dann den Rauch durch die breiten, behaarten Nasenlöcher.
    Eine Weile rauchten sie wortlos, standen nebeneinander im Sand und blickten über die See. Die Wellen rollten bis zu einer flachen Sandbank, brachen sich dort und glitten müde an den Strand. Ein träger, heißer Tag.
    »Ebbe, nöch?« sagte Lüders zuerst.
    Hellersen nickte. »Waren Sie auch mal Matrose oder so was Ähnliches?«
    »Vierzig Jahre Bananendienst, jawoll.« Lüders lehnte sich an seine Eisenkarre und benutzte den Schaufelstiel als Stütze für seine schweren Hände.
    Vierzig Jahre, dachte er plötzlich. Mein Gott, ist das eine Zeit! Das überfällt einen ja richtig, wenn man darüber nachdenkt. Vierzig Jahre auf hoher See – und jetzt lachen sie mich alle aus, weil ich eine alte Flasche gefunden und bei der Polizei abgegeben habe. Das Leben ist beschissen!
    »Bananen? Fast ein halbes Jahrhundert Bananen? Mann, da haben Sie ja Europa mit den gelben Dingern überschwemmt!« Hellersen setzte sich auf den gewölbten eisernen Karrenrand. Das gibt eine gute Story, dachte er. Ein Mann schippert ein halbes Leben lang Bananen nach Deutschland, und jetzt im Alter fegt er den Wohlstandsmüll vom Strand. Eine Story mit sozialem Aufwärtshaken. Die Langeweile verflog aus ihm. »Erzählen Sie mal. Das kann eine Geschichte werden: Überschrift: ›Bananen-Willi‹.«
    »Ich heiße Lars Lüders«, sagte Lüders. Er sog an der Gauloise und hüstelte. »Und wieso Geschichte?«
    »Lars heißen Sie? Noch besser!« Hellersen begann wieder in Schlagzeilen zu denken. »Das riecht nach Tang und Teer. – Kennen Sie den ›Globus‹?«
    »Ich habe die Schule bis zur achten Klasse besucht«, sagte Lüders steif. »Und bei Meiers steht einer im Fenster.«
    »Nicht der! Die Zeitschrift ›Globus‹.«
    »Die auch. Bei Meiers im Fenster. Meiers verkauft hier auf der Insel Zeitschriften.«
    »Ich bin Reporter«, sagte Hellersen.
    »Aha –«
    »Und ich verspreche Ihnen hundert Mark, wenn Sie mir ein paar Stories aus Ihrem Leben erzählen. Stories, die meine Leser auf den Boden hauen. Wahr brauchen sie nicht zu sein – es genügt, wenn sie nur so klingen. Das sind die besten Geschichten.«
    »Sie sind also Reporter?« fragte Lüders nachdenklich. In seinen alten, hinter Falten und Runzeln verborgenen Augen, in denen noch der Wind von vierzig Jahren hoher See hockte, leuchtete es auf. Etwas wie Hoffnung brach aus ihnen. Hoffnung, endlich einmal ernst genommen zu werden. »Ich habe etwas Besseres für Sie. Etwas Wahres. Garantiert hier passiert, vor neun Tagen, dort drüben, wo jetzt der Korb Nr. 218 steht.«
    »Zwei Körbe waren zusammengeschoben und wackelten rhythmisch – alter Hut, mein Lieber.«
    »Nein, ich sag's Ihnen … aber alle anderen lachen mich aus. Sie lachen nicht, nicht wahr? Sie sind doch Reporter.«
    »Eine Aphrodite entstieg dem Meer, was?« sagte Hellersen sauer.
    »Quatsch! Eine Flaschenpost kam an Land.«
    Er wartete auf eine Reaktion, sah Hellersen an mit geradezu bettelnden hündischen Augen. Junge, eine Flaschenpost, begreifst du das? Ein Brief war drin, sechs Jahre alt. Verdorrt in der Sonne. Wenn du jetzt auch lachst, schlage ich dir die Schaufel über den Schädel.
    Hellersen überlegte schnell. Flaschenpost ist ein gutes Thema, dachte er. Da ist es wieder: das Geheimnis des Meeres. Ein Feld der Phantasie, das nie ganz durchzuackern ist; immer bleibt ein Fleckchen Neuland übrig. Da kann man allerhand drumherum schreiben, das Meer auf dem Papier ist weit und geduldig.
    Er war sich darüber klar, daß Lars Lüders' Flaschenpost eine völlig unreale Sache war, ein Scherz allenfalls, aber die Idee war brauchbar für eine gute Sommerstory.
    »Das ist genau das, was ich suche«, sagte Hellersen und zertrat den Zigarettenrest im Sand. Lüders bückte sich und kehrte ihn sorgfältig auf seine Schaufel. »Haben Sie Zeit, Seemann? Daraus kann etwas werden.«
    Lüders blickte übers Meer, den Strand, in
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