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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Spiegel, wenn du noch einmal so fragst!« sagte sie energisch. »Ja, ich liebe dich! Du bist der schönste Mann. Weg vom Spiegel, Liebling!«
    »Ich muß mich rasieren.«
    »Das tue ich! Du sollst in keinen Spiegel mehr sehen.«
    »Wird es davon besser?« Er setzte sich und blickte hinüber zu seinem Sohn. Paul trug zum erstenmal in seinem Leben einen richtigen Anzug. Pouries Schwester, die vier Kinder hatte, war sofort mit einer Auswahl Kleidung gekommen. Bisher hatte Paul eine kurze Hose getragen, aus zwei Lappen zusammengeschnitten und mit Palmfasern genäht. Lappen, die Bäcker zwei toten Frauen am Totempfahl abgenommen hatte.
    »Er hat nie zuvor einen Mann mit einem normalen Gesicht gesehen. Welch ein Scheusal ist mein Vater, wird er jetzt denken«, sagte Bäcker.
    »Das wird er nie.« Anne faßte Pauls Arm und zog ihn zu sich heran. »Wer ist unser Papi?« fragte sie.
    Der Junge strahlte seinen Vater an. Es war ein Ausdruck in seinen großen braunen Augen, der Bäcker fast zum Heulen trieb.
    »Der beste Papi der Welt!« sagte Paul.
    »Das hast du ihm beigebracht, Anne.«
    »Ja! Und er wird es nie vergessen. Es war sein erster vollständiger Satz, als er richtig sprechen konnte.« Sie gab Paul einen Kuß und ließ ihn weiter in den Anzügen wühlen. »Für uns gibt es nur dich …«
    »Bis er gelernt hat zu denken und zu urteilen.«
    »Dann erst recht! Hast du Angst vor deinem Sohn?«
    »Ich habe Angst vor der normalen Welt, Anne. Ich komme mir vor, als sei ich aus dem Himmel gefallen in einen Haufen von Ameisen.«
    Nach einer Stunde war er rasiert, Anne hatte ihm die Haare geschnitten, er trug einen Anzug von Pouries Schwager, der ungefähr so groß und breit wie Bäcker war. Aber alles änderte nur den Körper. Das Gesicht über Kragen und Krawatte blieb das eines Monstrums. Ein Alptraum. Um so schöner war Anne. In einem weißen Kleid mit großen roten Mohnblumen sah sie aus, als habe sich mit ihr die Menschwerdung vollendet. Sie wirkte noch zarter und mädchenhafter und hatte ihr langes, schimmerndes Haar hochgesteckt. Der große Knoten war fast zu schwer für das schmale Gesicht, in dem die dunklen Augen jetzt noch größer und leuchtender wirkten.
    »Ich liebe dich –«, sagte sie, bevor sie zu den anderen gingen, die mit dem Essen auf sie warteten. »Was auch kommen wird: Ich liebe dich!«
    Er nickte dankbar, sah sie an wie ein bettelnder Hund und fühlte sich so elend wie nie zuvor.
    Am nächsten Morgen ging er sofort zu Shirleys Frau Betty. Aber sie war weggezogen, nachdem man Paul Shirley für tot erklärt hatte. Sie lebte jetzt mit ihren drei Kindern auf Hawaii und hatte vor einem Jahr wieder geheiratet. Drei Jahre hatte sie gewartet, bis man ihr sagte, daß dieses Herumsitzen verlorene Zeit sei. Sie hatte das eingesehen, alles verkauft und für Paul Shirley auf dem Friedhof von Papeete einen Gedenkstein errichten lassen.
    Bäcker besuchte ihn und stand lange versunken vor der Inschrift: »Paul Shirley, den das Meer fraß. Ich vergesse dich nie. Betty.«
    »Es ist gut, daß sie nie erfahren wird, wie Paul wirklich vom Meer gefressen wurde«, sagte Bäcker später zu Anne. »Wir werden es ihr nie schreiben. Sie hat einen neuen Mann … Warum soll das alte Leben sie wieder belasten? Warum? Aber der Grabstein ist schön. Paul hat ihn verdient.«
    Er trat an den Stein heran, legte beide Hände darauf und sagte leise: »Shirley, auch wir vergessen dich nicht. Wir haben eine verfluchte Zeit miteinander verlebt.«
    Vierzehn Tage blieben sie auf Tahiti. Niemand ahnte, daß Anne nicht Bäckers Frau Viktoria war. Warum sollte man auch Zweifel haben? An Annes Foto, das vor sechs Jahren auf der Polizeistation in Papeete gelegen hatte, erinnerte sich keiner mehr, und die Bilder, die in den Zeitungen erschienen, zeigten eine Frau mit langen, im Wind wehenden Haaren, die über das Gesicht flatterten. Es war das einzige Foto, das Bäcker von Anne zur Veröffentlichung freigegeben hatte.
    Vierzehn Tage wurden sie herumgereicht, gingen sie von Einladung zu Einladung. Auch der Gouverneur empfing sie, unterhielt sich mit Bäcker und Anne und erinnerte sich an die Zeit der großen Stürme von 1965.
    »Eine verdammte Epoche war das«, sagte er. »Die Unglücksmeldungen überschlugen sich. Damals gingen neunzehn Schiffe verloren und drei Flugzeuge. Mein Polizeiinspektor Shirley ist auch umgekommen. Er sollte von Nuku Hiva eine Mörderin abholen. Eine gewisse Anne Perkins. Das war damals ein sensationeller Fall.«
    Anne
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