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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fand die ausschlaggebende Redaktionskonferenz statt. Auf Otto Ottos Schreibtisch und den Nebentischen quollen die Aschenbecher über, es roch stark nach Whisky in dem ungelüfteten Raum. Mit dicken Augen saß Hellersen neben dem Chefredakteur. Er hatte in dieser Nacht eine große Schlacht geschlagen und sie gewonnen.
    »Hier haben wir Werner Bäcker –«, sagte Otto Otto und legte seine Hände auf einen Berg von Fernschreiben und Notizen. »Fassen wir zusammen, wie er vor uns steht: Er wandert nach Neuseeland aus, um dort Fabriken und Wohnblocks zu bauen. Nach drei Jahren hat er so viel Geld verdient, daß er sich einen langen Urlaub leisten kann. Am 14. Februar 1965 geht er mit seiner Motorjacht in See, eine Kreuzfahrt durch die polynesische Inselwelt, bis hinüber nach Tahiti, Tuamotu und den Marquesas-Inseln. Zum Hafenmeister sagt er, es sei ein Traumurlaub. Es ist seine erste Fahrt mit einem flammneuen Schiff – ein Kapitänspatent für kleine Fahrt hat er schon in Deutschland gemacht. Er gilt er erfahrener und klardenkender Mann, ist mutig, schnell entschlossen, ein fanatischer Arbeiter, die Arbeiter in Auckland nannten ihn ›Mr. Roboter‹. Als Seemann stellt ihm das Schiffahrtsamt Lübeck ebenfalls ein gutes Zeugnis aus – er ist sogar schon mal kurz nach seinem Steuermannspatent aus purer Freude auf einem Seenotrettungskreuzer gefahren. Alles in allem – ein toller Hirsch!«
    Otto Otto holte Luft, trank einen Schluck Mineralwasser (Whisky konnte er seit vier Uhr morgens nicht mehr riechen) und blätterte weiter in den vor ihm liegenden Papieren.
    »Auf diese Traumreise in den Urlaub – sie soll drei Monate dauern – nimmt Bäcker die ganze Familie mit: seine Frau Viktoria und seine drei Kinder. Er erreicht mit seiner Jacht Papeete und Tahiti und fährt weiter in die Welt der Archipele. Von da ab sind er und seine Familie verschollen. Natürlich sucht man sie, soweit das da drüben möglich ist, bei diesen unvorstellbaren Ausdehnungen und Entfernungen. Man findet nichts, nicht mal ein Brett der Jacht ›Viktoria‹. Nach dem Gesetz der Logik – und dem Gesetz der Südsee – dürfte Bäcker jetzt nach sechs Jahren nicht mehr leben. Trotz Brief in einer Flaschenpost. Frage: ›Sollen wir einen Toten suchen?‹ Antwort: ›Ja, wir suchen ihn!‹ Hellersen fliegt, als Fotograf reist Alfred mit.«
    Alfred Buddke, Starfotograf des ›Globus‹, langmähnig, der letzte progressive Kommunarde in der Redaktion trotz seiner dreißig Jahre, warf die Arme hoch.
    »Unmöglich!« rief er. »Chef, Freunde, Mitbürger, hört mich an: Ich will in vierzehn Tagen heiraten!«
    »Blödsinn!« sagte Otto Otto.
    »Ich muß, Leute!«
    »Buddke-Kinder haben Zeit.« Der Chefredakteur winkte ab. Wenn Otto Otto mit der Hand wedelte, war niemand da, der sie festhalten konnte. »Aber Bäcker hat keine Zeit. Ich weiß, ich weiß … sechs Jahre – eben darum! Ihr fliegt morgen schon. Marlene hat die Tickets bereits im Kasten. Eine Organisation ist das! Hellersen, wie stellen Sie sich das alles vor?«
    »Wenn die Angaben in der Flaschenpost stimmen, wurde Bäcker auf einer Insel zwischen den Tuamotu- und Marquesas-Archipelen angeschwemmt. Ich werde also Station in Atuana auf Hiva Oa machen.«
    »O Himmel, so weit weg«, sagte Buddke und dachte an Hanni, die in sechs Wochen ihr Kind bekam.
    »Atuana besitzt einen winzigen Flugplatz, aber der reicht. Von Hiva Oa werden wir mit einer Chartermaschine systematisch jedes Riff abfliegen, jede Insel, jede Lagune, jedes Korallenatoll, jeden Fleck im Meer.« Hellersen blickte Otto Otto fordernd an. »Was wir dringend brauchen, ist ein Haufen Geld vom Verlag. Das alles kostet eine Menge.«
    »Der Verleger wird weinen, aber ich boxe es für euch heraus.« Otto Otto sprang aus seinem Sessel. Man konnte über seinen Namen lächeln – wer ihn jetzt ansah, war das Kaninchen, das der Blick der Schlange lähmt. »Viel Glück, Hellersen, aber kommen Sie mir nur wieder unter die Augen, wenn Sie von Bäcker wenigstens einen Zahn gefunden haben. Ich kann schlimmer sein als ein Hai!«
    Es war keiner da, der das bezweifelte.
    Am nächsten Morgen flogen Hellersen und Buddke ab.

ZWEITER TEIL

I
    Es gab keinen Himmel und kein Meer, keine Erinnerung an die Erde und keine Hoffnung auf ein Morgen mehr. Es gab nur noch ein Brüllen und Kreischen, Berge aus Wasser, die zerbarsten und heulend herunterstürzten auf das kleine, weiße Schiff. Es gab nur noch Wellenfelsen, die donnernd aus riesigen Tälern geboren
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