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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du
Autoren: Lisa Gardner
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Blicke zugeworfen.
    Also blieb ich auf Abstand, hielt meine Bierflasche in der Hand, ohne daraus zu trinken, und wartete auf den Moment, an dem ich mich höflich würde zurückziehen können.
    Meist hatte ich meine Tochter im Auge.
    Sie tollte in rund hundert Metern Entfernung mit anderen Kindern auf der Wiese herum und kicherte ausgelassen. Ihr pinkfarbenes Sommerkleidchen war schon voller grüner Grasflecken und ihr Mund verschmiert vom Schokoladenkuchen. Sie purzelte den kleinen Abhang hinunter, nahm, unten angekommen, ein kleines Mädchen an die Hand und rannte mit ihm so schnell, wie es dreijährige Beine zuließen, wieder nach oben.
    Sophie schloss Freundschaften von jetzt auf gleich. Sie war mir äußerlich sehr ähnlich, ansonsten aber eine ganz eigenständige Person. Kontaktfreudig, mutig, abenteuerlustig. Wenn es nach ihr ginge, wäre sie ständig mit anderen zusammen. Charme war möglicherweise ein dominantes Gen, das sie von ihrem Vater geerbt hatte. Von mir konnte sie ihn jedenfalls nicht haben.
    Zusammen mit den anderen Kindern erreichte sie wieder die kleine Anhöhe unter strahlend blauem Himmel. Sophie warf sich als Erste ins Gras. Ihre kurzen dunklen Haare bildeten einen hübschen Kontrast zum gelben Löwenzahn. Mit fliegenden Armen und Beinen kullerte sie wieder den Abhang hinunter und kreischte vor Vergnügen. Schwindelnd stand sie auf und sah, dass ich sie beobachtete.
    «Ich liebe dich, Mommy!», rief sie und rannte wieder den Hügel hinauf.
    Ich blickte ihr nach und wünschte wieder einmal, nicht all das zu wissen, was eine Frau wie ich wissen musste.

    «Hallo.»
    Ein Mann hatte sich aus der Menge gelöst und kam auf mich zu. Ende dreißig, knapp eins achtzig, kurz geschnittene blonde Haare, muskulöse Schultern. Allem Anschein nach auch ein Cop, den ich aber nicht kannte.
    Er streckte mir die Hand entgegen. Etwas verspätet bot ich ihm meine.
    «Brian», sagte er. «Brian Darby.» Er deutete mit dem Kopf in Richtung Haus. «Ich wohne ein Stück weiter die Straße runter. Und Sie?»
    «Tessa. Tessa Leoni. Ich kenne Shane aus der Kaserne.»
    Ich wartete auf den unvermeidlichen Kommentar eines Mannes, der auf eine Polizistin trifft. Ein Cop? Dann muss ich mich ja gut benehmen. Oder: Oooh, wo haben Sie Ihre Waffe?
    Brian aber nickte nur. Er hielt eine Flasche Bud Light in der Linken und hatte die andere Hand in die Tasche seiner hellbraunen Shorts gesteckt. Dazu trug er ein blaues Oberhemd mit einem goldenen Emblem auf der Brusttasche, das ich aber aus meinem Blickwinkel nicht identifizieren konnte.
    «Ich muss was beichten», sagte er.
    Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst.
    «Shane hat mir schon verraten, wer Sie sind. Um ehrlich zu sein, habe ich mich nach Ihnen erkundigt. Hübsche Frau, so im Abseits. Hat mich neugierig gemacht.»
    «Und was haben Sie von Shane erfahren?»
    «Dass Sie nicht meine Kragenweite sind. Auf den Köder musste ich anspringen.»
    «Shane ist ein Idiot», entgegnete ich.
    «Meistens, ja. Sie trinken ja gar nicht.»
    Ich blickte auf die Flasche, scheinbar überrascht, sie zu sehen.
    «Ich kombiniere», fuhr Brian locker fort. «Sie haben ein Bier in der Hand, trinken aber nicht. Vielleicht hätten Sie lieber eine Margarita? Ich könnte Ihnen ein Glas holen. Allerdings –» Er warf einen Blick auf die Frauen, die schon beim dritten Glas waren und entsprechend lachten. «Ich traue mich nicht so recht.»
    «Schon gut.» Ich rührte mich und schüttelte die Arme aus. «Ich trinke eigentlich nicht.»
    «Im Dienst?»
    «Heute nicht.»
    «Ich bin kein Cop und maße mir auch kein Urteil an. Aber ich kenne Shane jetzt seit gut fünf Jahren und weiß ein bisschen was. Ein Trooper ist mehr als jemand, der Patrouille fährt und Knöllchen verteilt. Habe ich recht, Shane?», brüllte er quer durch den Garten. Shane, der noch am Grill stand, hob die rechte Hand und zeigte seinem Nachbarn den ausgestreckten Mittelfinger.
    «Shane ist eine Memme», sagte ich ebenso laut.
    Auch ich bekam den Mittelfinger zu sehen. Einige Typen lachten.
    «Seit wann arbeiten Sie mit ihm zusammen?», fragte Brian.
    «Seit einem Jahr. Ich bin noch Neuling.»
    «Wirklich? Was hat Sie bewogen, Cop zu werden?»
    Ich zuckte gelangweilt mit den Achseln. Es war eine dieser Fragen, die alle stellten und auf die ich keine Antwort wusste. «Mir fiel nichts Besseres ein.»
    «Ich bin bei der Handelsmarine», erklärte Brian ungefragt. «Öltanker. Wir sind ein paar Monate unterwegs, ein paar zu Hause und
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