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Wer Schuld War

Titel: Wer Schuld War
Autoren: Christa Bernuth
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Stäbchen und tanzen ein verrücktesBallett, und er sieht Paul in einer Schublade kramen und eine zerdrückte Zigarettenschachtel hervorziehen.
    Camel ohne Filter.
    Die hat Alex geraucht, als er noch auf Drogen war.
    »Willst du eine?«, fragt Paul.
    Alex nimmt wortlos eine aus dem weichen Päckchen; sie ist so alt, dass trockener Tabak herausbröselt, während er sie zwischen
     seine Lippen steckt und Paul ihm Feuer gibt und sich anschließend selbst eine anzündet.
    »Seit wann rauchst du?«
    »Das ist die Erste seit Jahren. Die Schachtel hat Pilar hier vergessen.«
    »Warum willst du Philipp melden?«
    »Ich
will
Philipp nicht melden. Ich mache mich strafbar, wenn ich es nicht tue. Und das weißt du genau.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du so ein gehorsamer Staatsbürger bist.« Alex zieht an der Zigarette, die Glut leuchtet auf, er
     inhaliert tief, ohne zu husten, der bittere, heiße Geschmack katapultiert ihn zurück in eine chaotische, grausame, wunderbare
     Vergangenheit, der er nie entkommen ist, und die jetzt ihre Arme nach ihm ausstreckt, wie eine schöne, böse Mutter, die man
     nicht aufhören kann zu lieben.
    »Kann es sein, dass Philipp dein Sohn ist«?
    »Blödsinn.«
    »Simon ist nämlich nicht sein leiblicher Vater; er hat ihn nur adoptiert«, hört er Pauls unerbittliche Stimme.
    »Warum hast du mich angerufen?« Alex lässt den Rauch zwischen den Zähnen hervorquellen.
    »Weil niemand anders abgehoben hat, Alex. Hör auf, immer hinter allem eine Bedeutung zu sehen. Das ist krankhaft.«
    »Du wolltest mich gar nicht sprechen?«
    »Herrgott, ich wollte
irgendjemanden
sprechen. Ist Philipp dein Sohn?«
    »Irgendjemanden?«
    »Ist er dein Sohn?«
    Eine Pause entsteht, ein tauber, stummer Moment, als wäre die Zeit stehen geblieben, dann sagt Paul, so normal, wie Alex sich
     nie wieder fühlen wird, so von oben herab in seiner Normalität: »Verdammt, Alex. Das tut mir leid.« Dann steht Alex auf, ohne
     zu wissen, warum, macht einen Schritt auf Paul zu, ohne zu wissen, wozu, und Paul sieht zu ihm hoch und erhebt sich halb,
     während Alex einen Schritt zurück macht und sich seine Bierflasche von der Mitte des Tischs greift. Etwas in ihm fragt, was
     das werden soll, woraufhin er einen tiefen Schluck nimmt, dann noch einen, denn was auch passiert, er will nichts verschütten,
     keine Sauerei veranstalten, er will trinken, bis die Flasche leer ist, er sie an der Tischkante zerschlagen kann, und sie
     sich als Waffe eignet.
    Da sagt Paul: »Mir ist wahnsinnig schlecht.«
    Alex’ erhobene Hand mit der Flasche. Sie gehört nicht mehr zu ihm, scheint in der Luft zu schweben, und sie ist immer noch
     heil, auch wenn er ihre mörderisch scharfen Kanten schon vor sich sieht. »Was?«
    »Ich muss   … ich muss mich hinlegen.«
    »Vorsicht, Paul!« Aber es ist zu spät, Paul ist polternd gestürzt und liegt nun zwischen Stuhl und Tisch. Er flüstert etwas,
     und Alex stellt die Flasche weg und kniet sich über ihn, sein Ohr nah an Pauls Mund.
    »Mir ist so schwindlig. Alles   … rauscht. Ich kann nichts mehr sehen.«
    »Du blutest ja.«
    …
    »Paul?«
    …
     
    Alex findet Pilars Festnetznummer in Pauls Telefon, die Nummer, die sie ihm nicht mehr geben wollte. Er ruft bei Pilar an,
     aber dort erreicht er nur den Anrufbeantworter. Er hinterlässt keine Nachricht und legt auf.
    Als er wie betäubt, mit dem blutverschmierten Stuhl in der Hand, Pauls Wohnung verlässt, fällt sein Blick auf die Tür gegenüber.
    Auf dem provisorisch hingeklebten Schildchen ist der Name kaum zu lesen, Alex kann mit Mühe »Kreitmeier« entziffern. Ob da
     jemand etwas gehört hat? Alex schleicht rückwärts die Treppe hinunter, die Wohnungstür immer fest im Blick. Doch sie bleibt
     geschlossen.
    Auf der Straße versucht er es über sein eigenes Telefon bei Barbara, aber der Anrufbeantworter ist aus, und niemand geht an
     den Apparat.

BARBARA
    »Du hasst mich jetzt«, sagt Alex im Ton einer nüchternen Feststellung, aber dahinter spürt Barbara etwas anderes, Angst und
     Verwirrung, vielleicht aber auch eine Spur von Wahnsinn. Und einen Moment lang fröstelt sie, denn sie sind ganz allein in
     diesem sonnendurchfluteten Friedhof, wo ein leichter Wind das Laub über ihren Köpfen rascheln lässt, während der Kies unter
     ihren Füßen knirscht.
    »Hast du ihn umgebracht, Alex?«
    »Er hatte einen Schlaganfall, und sein Kopf ist im Fallen an die Stuhlkante geschlagen. Deshalb das Blut am Hinterkopf. Er
     war gleich tot, das
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