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Wer Ja sagt, muss sich wirklich trauen

Wer Ja sagt, muss sich wirklich trauen

Titel: Wer Ja sagt, muss sich wirklich trauen
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
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Nachbarn abgrenzte. Lucy drehte um, vorbei an einer Statue der Jungfrau Maria, zurück in Richtung Straße. Kieselsteine in ihren Schuhen ließen sie jeden Schritt schmerzhaft spüren.
    Motorengeräusche drangen an ihre Ohren, wurden lauter. Lucy ging zwischen zwei Garagen in Deckung, drückte sich mit dem Rücken flach gegen den abblätternden weißen Putz. Ein verbeultes schwarz-silbernes Motorrad bog mit quietschenden Reifen in die Straße, wurde jäh langsamer. Sie hielt den Atem an und wartete, dass es vorbeifuhr, doch es fuhr im Schritttempo weiter und hielt schließlich auf ihrer Höhe.
    Der Fahrer starrte in den Spalt zwischen den Garagen, genau dorthin, wo sie stand. Der Motor tuckerte im Leerlauf, während der Fahrer sie in aller Ruhe musterte.
    » Was ist? « , rief er ihr über das Knattern hinweg zu.
    Was ist! Sie hatte ihren zukünftigen Ehemann verstoßen, ihre Familie blamiert, wenn sie nicht rasch etwas unternahm, würde sie die berüchtigtste entflohene Braut im ganzen Land sein, und dieser Kerl wollte wissen, was los war?
    Er hatte zu lange Haare, die sich über seinen Kragen lockten, kühle blaue Augen über hohen Wangenknochen und einen Mund, der ihm sadistische Züge verlieh. Nachdem sie so viele Jahre vom Secret Service beschützt worden war, hatte Lucy sich daran gewöhnt, ihre Sicherheit als selbstverständlich zu betrachten, aber jetzt fühlte sie sich nicht sicher, und der Umstand, dass sie in dem Biker vage einen Gast des Probedinners wiedererkannte – jemanden aus Teds illustrem Bekanntenkreis –, beruhigte sie nicht unbedingt. In seinem mäßig sauberen dunklen Anzug, der ihm nicht richtig passte, dem zerknitterten weißen Hemd mit dem offenen Kragen und den Motorradstiefeln, die scheinbar nur flüchtig abgestaubt worden waren, sah er nicht aus wie jemand, dem sie in einer Seitenstraße begegnen wollte. Wo sie sich zufällig gerade aufhielt. Ein zerknitterter Schlips ragte aus der Tasche seines Sakkos. Die lange, wilde Mähne sah aus wie mit schwarzer Tinte dahingekleckst.
    Mehr als zehn Jahre, seit Nealys erstem Präsidentschaftswahlkampf, hatte Lucy versucht, das Richtige zu sagen, das Richtige zu tun, immer lächelnd, immer höflich. Nun fiel ihr, die schon so lange die Kunst des Smalltalks beherrschte, nichts ein, was sie sagen konnte. Stattdessen spürte sie den fast unwiderstehlichen Drang, spöttisch zu erwidern: » Und selbst? « Aber natürlich tat sie das nicht.
    Er deutete mit einem Nicken auf den Rücksitz seines Gefährts. » Lust auf eine Spritztour? «
    Ein Schreck fuhr ihr in die Glieder, schoss durch ihre Adern in die Kapillargefäße, durchdrang Haut und Muskeln bis auf die Knochen. Sie fröstelte, nicht vor Kälte, sondern weil sie wusste, dass sie darauf brannte, auf das Motorrad zu steigen, mehr als alles andere, das sie sich seit langem gewünscht hatte. Einfach aufzusitzen und vor den Folgen dessen zu fliehen, was sie angerichtet hatte.
    Der Biker stopfte seinen Schlips tiefer in seine Sakkotasche, und Lucys Füße setzten sich in Bewegung. Es war, als hätten sie sich von ihrem restlichen Körper losgelöst. Sie versuchte, sie aufzuhalten, aber sie weigerten sich zu gehorchen. Sie näherte sich dem Motorrad, sah ein verbeultes texanisches Nummernschild und einen Aufkleber mit Eselsohren, der auf dem abgewetzten Ledersitz haftete. Der Aufdruck war verblasst, aber die Schrift war noch zu entziffern. SPRIT , GRAS ODER ARSCH – NIEMAND FÄHRT UMSONST .
    Die Botschaft traf sie wie ein Schock. Eine Warnung, die sie nicht ignorieren konnte. Aber ihr Körper – ihr verräterischer Körper – hatte die Kontrolle übernommen. Ihre Hand raffte das Chorhemd hoch. Ein Fuß hob sich vom Boden, ein Bein schwang sich über den Sitz.
    Er gab ihr den einzigen Helm. Sie zog ihn über ihre ruinierte Brautfrisur und schlang die Arme um seine Taille. Sie brausten los durch die kleine Straße, und ihr Gewand bauschte sich, entblößte ihre Knie, ihre Oberschenkel, der schneidende Fahrtwind prickelte auf ihren nackten Beinen. Seine Haare peitschten gegen ihr Visier.
    Lucy klemmte den Stoff unter ihre Beine, während der Unbekannte scharf rechts abbog und gleich darauf wieder. Unter dem Sakko spürte sie seine Rückenmuskeln.
    Sie verließen Wynette auf einer zweispurigen Schnellstraße, die an einem zerklüfteten Kalksteingebirge entlangführte. Der Helm war ihr Kokon, das Motorrad ihr Planet. Sie passierten blühende Lavendelfelder, eine Olivenölfabrik und Weinberge, die überall
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