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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul?
Autoren: Anette Göttlicher
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bügelte die Dirndlschürze zu.
     
    Zwei Stunden später werden wir in einem Menschenstrom ins Hacker-Zelt gesogen. Ziemlich neblig hier, denke ich, als wir uns durch die vollen Gänge schieben, ducke mich in letzter Sekunde unter einem Maßkrug weg, der über meinem Kopf lustig zur Musik geschwungen wird, und klopfe dem 1,60 großen Italiener auf die Pfoten, der sich sehr für den Stoff meiner Bluse interessiert.
    «Ist wie immer furchtbar hier, gell?», schreit Vroni mir ins Ohr und deutet auf einen rotgesichtigen Touristen mit Dortmund-Trikot, der auf der Bierbank einen Strip zu den Klängen von «I’m too sexy for my shirt» probiert. Da das einzig Bayerische an ihm seine Ottfried-Fischer-Statur ist, schaue ich lieber schnell wieder weg.
    «Ist wie immer geil hier, gell?», ruft Marlene einskommafünf Maß später. Vroni stimmt begeistert zu, bevor sie sich wieder ihrer Neueroberung aus Melbourne zuwendet. «How do you say ‹What did you say?› in German?», will mein Sitznachbar Dave aus Dublin wissen. «Was hast du gesagt», erkläre ich ihm. «Oh, that’s complicated», findet er, und ich sage: «In Bavarian, it’s just ‹HA?›.» Das gefällt ihm. Der Bedienung weniger. Sie will eigentlich lieber 6   Euro 80 für das Bier haben und stemmt grimmig die Hände in ihre beeindruckenden Hüften. Blitzschnell händige ich ihr 14   Euro aus, lächle zuckersüß, tausche meinen fast leeren Bierkrug gegen einen neuen (schlecht eingeschenkten) und beginne, Dave die Sache mit den Noagerln zu erläutern, die man auf keinen Fall trinken darf   … Als Marlene, Vroni, Dave und ich um 23   Uhr 30 in der überfüllten U-Bahn klemmen, die gerade mitten im Tunnel stehen geblieben ist, sind wir uns einig: «Hey Baby» ist ein tolles Lied, den Ketchup-Song hingegen kann man ab der zweiten Maß getrost in der Pfeife rauchen. Australier sind furchtbar süß und haben kein Gefühl für den Wert des Euro. Und überhaupt ist die Wiesn das Größte. Besonders das leckere Bier.
     
    Nie wieder trinke ich dieses Zeug. Vor lauter Hacker-Pschorr-der-Himmel-der-Bayern-Seligkeit habe ich vergessen, was ich allen «Zuagroasten» stets predige: Nach dem Besuch des Oktoberfests ist umgehend eine dreifache Dosis Alka-Seltzer einzuwerfen, dann bekommt man auch kein Kopfweh. Außer, man hat Noagerl getrunken.
     
    Heute lässt der Kater allmählich nach. Zeit, meinen Geburtstag nächste Woche zu planen. Ich glaube, ich werde auf die Wiesn gehen. Paul würde ich allerdings auch gerne sehen   … Doch ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, ihn mit der geballten Ladung meiner Freundinnen und Freunde zu konfrontieren. Ich werde das anders lösen.
     
    Lieber Paul,
    ich habe am kommenden Mittwoch Geburtstag und möchte dich gerne zum Frühstück einladen.
    Ehrlich gesagt, würde ich mich am liebsten selbst bei dir einladen. Du wärst das schönste und leckerste Frühstück, das ich mir vorstellen kann   …
    Aber Kaffee & Croissant irgendwo wären auch okay.
     
    Glatte Lüge! Hoffentlich versteht er das so, wie’s gemeint ist: ein verbales Zugeständnis an die Etikette.
     
    Wenn du Lust (und Zeit) hast, sag mir doch einfach Bescheid.
     
    Ich hoffe doch sehr, dass er Zeit hat. Die Lust werde ich ihm schon machen.
     
    Liebe Grüße
    Marie
     
    Es wird der schönste Geburtstag meines Lebens, wenn ich dich sehen kann, und der traurigste, wenn nicht, hätte ich schreiben sollen. Aber ich glaube, melodramatisches Pathos löst bei Männern wie Paul den Fluchtreflex aus. Und das will ja keiner.

SAMSTAG, 28.   SEPTEMBER 2002 – MAX, HIM UND BROM
    Heute Vormittag war ich im PEP. Das sind die sensationellen Perlacher Einkaufs-Passagen. Ich liebe das PEP, auch wenn sich dort die versammelte Neu(!)perlacher Jugend im Saturn vor den Computerspielen drängelt, das Parkhaus immer überfüllt ist und es nicht mal einen H&M gibt.
    Ich hatte vor fünf Minuten eine sündteure Dior-Netzstrumpfhosefür Mittwoch (das Geburtstagsfrühstück!) erstanden und kämpfte gerade mein schlechtes Gewissen wegen der 30   Euro für einmal Anziehen nieder – da lief ich Max über den Weg. Max, meinem Ex. Er hätte mich gar nicht gesehen, war wie meistens ein kleines bisschen zerstreut und mit seinen Gedanken irgendwo anders. Aber ich konnte ihn nicht so einfach an mir vorbeilaufen lassen. Nicht nach sechs gemeinsamen Jahren. Also stellte ich mich ihm in den Weg.
     
    «Marie!» Er grinst sichtlich erfreut und fährt sich mit der Hand durch die kurz
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