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Wer braucht schon Liebe

Wer braucht schon Liebe

Titel: Wer braucht schon Liebe
Autoren: Denise Deegan
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eine Folge von Friends an, die ich heruntergeladen habe, und tue so, als würde ich ein normales Leben führen.
    Vor dem Tor zu unserem Haus hat sich eine Gruppe von Fans versammelt. Mike lässt einen prüfenden Blick über die Leute schweifen. Für mich sehen sie harmlos aus. Ich tippe auf Italiener, wegen ihren coolen Klamotten und wegen der Art, wie sie dastehen, als wäre das Warten das Beste an der ganzen Aktion. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass mein Vater zu Hause ist, dann wüsste ich es jetzt. Seine Fans sind wie ein Ortungsgerät. Wenn er weg ist, sind sie auch weg. Sobald er wieder da ist, haben wir Gesellschaft.
    Wir fahren vorbei, verborgen hinter den getönten Scheiben. Hinter uns schließt sich das Tor sofort wieder.
    Mike setzt mich vor der Tür ab und fährt dann zurück, um das Auto zu parken. Keine Spur von Homer, meinem Golden Retriever (der eher blass ist und nicht golden und der, anders als es im zweiten Teil seines Namens heißt, auch nicht apportiert). Stattdessen stolziert Marsha, die Stylistin meines Vaters, in einer engen schwarzen Lederhose durch die Eingangshalle, verschwindet im Arbeitszimmer und spricht dabei mit ihrem lauten ordinären New Yorker Akzent. Ihre Absätze hinterlassen Pockennarben auf dem Parkett, das meine Mutter ausgesucht hat, weil es umweltfreundlich ist. Ich höre, wie der Rockstar im Arbeitszimmer etwas sagt. Sein Manager Ed lacht. In der Küche unterhalten sich Leute über die Musik hinweg. Der Rockstar ist wieder da. Und mit ihm seine Entourage – was mich daran erinnert, wie viel einsamer ich mich fühle, wenn er zu Hause ist. Ein Wiedersehen vor Livepublikum ist nicht mein Ding, also ziehe ich mich in mein Zimmer zurück.
    Homer liegt auf meinem Bett und versteckt sich auch. Er spitzt die Ohren und springt dann auf mich zu. Ich lasse meine Tasche fallen und gehe in die Hocke. Er wirft mich fast um. Ich schlinge die Arme um ihn, lege meinen Kopf an seinen. Er dreht ihn schnell und leckt mir übers Gesicht.
    » Du hast also die Stylistin getroffen.«
    Er jault. Und ich muss lachen.
    Ich liege auf dem Bett, hole mein Handy heraus und simse an Sarah. Ich passe auf, dass ich das Schmetterlings-Emoticon }|{ am Ende meiner Nachricht nicht vergesse. Wir drei benutzen es seit unserem ersten Jahr. Es ist so was wie ein Symbol für unsere Freundschaft. Manchmal vergesse ich es und Sarah wird richtig böse. Ich drücke auf » Senden«. Mir ist klar, dass meine SMS an Sarah eine Lawine von Nachrichten über absolut nichts auslösen wird. Manchmal ist genau der richtige Zeitpunkt für nichts, zum Beispiel wenn dein Zuhause sich in einen Zirkus verwandelt und dein Vater der Zirkusdirektor ist. Sarah wird nicht checken, dass ich lieber simse, als mich in Wiedersehensfreude zu ergehen. Deswegen simse ich nicht an Rachel, die so einen Durchblick hat, dass es schon fast beängstigend ist.
    Bei Rachel muss ich auf Abstand gehen. Als Mum starb, bin ich total zusammengebrochen, direkt in Rachels Armen. Sie hat zugehört. Sie hat mich festgehalten. Sie war einfach da. Anders als der Rockstar, der sich aus dem Staub gemacht hat, kaum dass Mum krank wurde. Er hat immer etwas anderes zu tun gefunden, statt für sie oder mich da zu sein. Ich habe ihn gehasst deswegen. Und ich hasse ihn immer noch. Aber Rachel. Rachel war da. Dann, als sie mich einmal hielt, fing mein Herz an zu hämmern, weil ich begriff, dass ich es nicht noch einmal durchstehen könnte, jemanden zu verlieren, den ich liebe. Daraufhin zog ich mich zurück von Rachel. Und dabei ist es geblieben.
    Mich nicht auf Sarah einzulassen ist leichter. Arme Sarah. Als Mum starb, wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Und wenn sie doch redete, trat sie meistens ins Fettnäpfchen. Sie konnte es nicht wissen, aber für mich war es meistens eine Erleichterung. Das Schlimmste, was man tun kann bei jemandem, der innerlich stirbt, ist, vorsichtig zu sein. Sag irgendwas Blödes, irgendwas total Unpassendes, dann bringst du ihn vielleicht zum Lachen. Innerlich. Für 0,5 Sekunden.
    Also nein. Ich will keine Nähe. Mit niemandem. Nie. Nirgends.
    Einmal hatte ich eine Psychologin, die der Ansicht war, dass ich Bindungsangst hätte. Aber ich habe keine Angst vor Bindung. Ich will einfach keine Bindung. Die Psychologin – mein Gott. Ich musste zu ihr gehen, nachdem Mum gestorben war. Eine Idee des Rockstars. Sie hieß Betsy. Betsy! Also ehrlich. Als ich das erste Mal hingegangen bin, hat sie sich selbst als Psychoanalytikerin vorgestellt.
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