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Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott
Autoren: Anselm Gruen
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Kriegsgebieten sehe, fallen mir Jesajas Worte ein: »Denn jeder Stiefel, der
mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durchs Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt« (Jes 9,4). Und direkt im Anschluss daran heißt es: »Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende...« (Jes 9,5-6).
    Wie ein Hohn müssen solche Worte aus dem Mund von Christen klingen, die mit anscheinend gutem Gewissen in den Krieg ziehen. Ihre Stiefel treten alles platt, die Verheißung des Jesaja ebenso wie das Leben unschuldiger Männer, Frauen und Kinder. Bleibt uns angesichts dieser Reaktion wirklich viel mehr als Ohnmacht und Wut? Oder sollen wir einfach darüber hinwegsehen, resignieren? Oder wir glauben einfach weiter an das, was bei Jesaja steht: »Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Winzermessern machen. Denn es wird kein Volk gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen« (Jes 2,4).
    Vom Kopf her sage ich mir: Das zu glauben, ist naiv. Vom Bauch her wehre ich mich gegen solche illusionären Vorstellungen und Wünsche. Ich denke dabei an das Mahnmal »Broken Chair« vor dem UNO-Hauptgebäude in Genf, das einen kaputten Stuhl zeigt und an die Opfer von Landminen erinnert. Es stellt genau diese Bibelstelle symbolisch dar. Vom Glauben her kann ich gar nicht anders, als entgegen aller Bauchgefühle daran zu glauben, dass mein Glaube stärker und lauter ist als alles Kriegsgerede und Kriegsgedröhn.

     
     
    ANSELM GRÜN: Ja, die Liebe Gottes verlangt nach einer Antwort. Ich möchte nochmals zurückkommen auf das personale Gottesbild. Gott als Person fordert mich heraus. Er stellt mich in die Verantwortung. Er ruft mich an. Er verlangt etwas von mir. Von diesem Anruf Gottes spricht die Bibel des Alten und Neuen Bundes ständig. Der Gott, der mich anspricht, ist oft unbequem. Denn er fordert etwas von mir, wozu ich oft gar nicht bereit bin. Er verlangt von mir, über mein Maß hinauszugehen, auszuziehen aus dem Vertrauten, in dem ich mich eingerichtet habe. Der apersonale Gott hingegen verlangt nichts von mir. Das ist bequemer. Ihn kann ich für mich benutzen, für mein Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Der apersonale Gott dient dann meiner Selbstüberhöhung. Ich vereinnahme Gott, damit ich spirituell weiter bin als die anderen.
    Natürlich haben die Christen, die an einen persönlichen Gott glauben, sich immer wieder dem Anruf Gottes verweigert und auch versucht, Gott zur Rechtfertigung des eigenen Verhaltens zu missbrauchen. So nahm zum Beispiel der ehemalige US-amerikanische Präsident George W. Bush Gott in Anspruch, um seinen Krieg gegen die »Achse des Bösen« zu rechtfertigen. Aber ich gebe Johann Baptist Metz recht, der immer wieder vor einer Religion ohne Gott warnt. Er spricht von »einer religionsfreundlichen Gottlosigkeit«, von einer Religion »als Glücksgewinnung durch Leid- und Trauervermeidung und als Beruhigung vagabundierender Ängste, Religion als mythische Seelenverzauberung, als psychologisch-ästhetische Unschuldsvermutung für den Menschen, die alle eschatologische Unruhe im Traum von der Wiederkehr des Gleichen oder auch, religionsnäher
noch, in neu aufkeimenden Seelenwanderungsund Reinkarnationsfantasien stillgelegt hat« (Metz 1991, S. 24).
    Wir sind heute in Gefahr, Gott für uns zu vereinnahmen, für unser Glücksgefühl, für unsere Seelenruhe, für unsere innere Freiheit vom Angefochtensein von der Welt, anstatt uns von Gott herausfordern zu lassen, uns dieser Welt zu stellen. Metz spricht von der Mystik Jesu als der Mystik der geöffneten Augen im Gegensatz zur Mystik der geschlossenen Augen, die manche Anhänger Buddhas propagieren. In der Mystik Jesu geht es darum, diese Welt im Licht Gottes anzuschauen, die gegenüber aller Leidverdrängung und Leidvermeidung »vor allem unsichtbares, ungelegenes Leid sichtbar macht und - gelegen oder ungelegen - darauf aufmerksam macht und dafür einsteht, um des menschenfreundlichen Gottes willen« (Metz 1991, S. 37).

Epilog
    Im vorliegenden Gespräch ist vor allem von Gott aus einem christlichen Horizont betrachtet die Rede. Doch Gott selbst sprengt natürlich einen solchen Horizont, was in den anderen großen Religionen deutlich wird. So soll den Abschluss unseres Dialoges ein Text von
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