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Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott
Autoren: Anselm Gruen
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materiellen und seelischen Not unzähliger Menschen, die sich glücklich wissen würden, wenigstens einen Tag lang ein solch privilegiertes Leben wie die Meister führen zu können. Nein, ein entscheidendes Kriterium für einen »gelungenen« mystischen Weg besteht darin, ob dieser Weg in mir die Fähigkeit zu bedingungsloser Liebe fordert, ja dazu beiträgt, dass diese Liebe selbstverständlich in mir entbunden wird zum Segen meiner Mitmenschen.
    Menschen, die sich anscheinend nur in der Präsenz der Ewigkeit, der Welt des Unendlichen innerlich aufhalten, laufen Gefahr, unpersönlich zu werden, die Einzigartigkeit und die Bedeutung der einzelnen Person und der einmaligen Ich-Du-Beziehung zu übersehen und zu übergehen. Sie wirken dann auch unpersonal, der konkreten personalen Beziehungsebene enthoben. Ihnen geht mitunter das Gefühl tiefer Zuneigung, echter Sorge, wahren Mitleids für den konkreten Mitmenschen ab. Sie ertränken diese Gefühle im Meer des Unendlichen.
    Die Ich-Du-Beziehung ist das Zentrum einer verbindlichen, innigen, von Liebe umfangenen Beziehung. Die Ich-Du-Beziehung garantiert eine hohe Qualität von Präsenz. Sie nimmt die Einzigartigkeit der jeweiligen Person ernst. Sie garantiert Konkretheit und Direktheit. Aus der Ich-Du-Beziehung erwachsen Liebe, Zuneigung, Sorge, Fürsorge und Mitleid. So entsteht in der Ich-Du-Beziehung eine
große Dichte, bei der Menschen sich innerlich sehr nahe sind, bei der das Wesentliche zählt und waltet. Das kann auch der Augenblick sein, in dem die unendliche Präsenz in die endliche einbricht, die endliche Präsenz transzendiert wird. Dadurch wird die personale Beziehung nicht aufgehoben oder irrelevant.Vielmehr wird sie vertieft, erweitert, erhöht.Wenn das immer wieder in unseren Beziehungen zu Menschen und schließlich auch in unserer Beziehung zu Gott möglich wird, kommt darin eine dynamische Spiritualität zum Ausdruck.
     
     
    ANSELMGRÜN: Jesus hat die Liebe zu Gott, zum Nächsten und zu sich selbst als die Zusammenfassung aller Gebote verstanden. Liebe gibt es aber nicht ohne Ich-Du-Beziehung. Insofern wird hier dasWesen des Christlichen offenbar. Bei allem Reden vom apersonalen Gott, von der kosmischen Energie der Liebe müssen wir uns immer wieder bewusst werden, dass die Liebe nur in der Beziehung gelebt werden kann. Das Aufgehen in der kosmischen Liebe kann leicht zu einem Ausweichen konkreter Liebe werden. Weil wir uns nicht auf die Beziehung zu anderen Menschen einlassen, flüchten wir in die kosmische Liebe.
    Von daher ist für mich das Festhalten an der Personalität Gottes die Bedingung dafür, dass die Liebe zur zentralen Botschaft unseres christlichen Glaubens wird. Die Liebe braucht die Beziehung zum Freund und zur Freundin, die Beziehung zum Ehepartner, die Beziehung zu den Menschen, mit denen ich arbeite, die Beziehung zu den Armen und Entrechteten, und als Grund all dieser Beziehungen die Beziehung zu Gott, der ein Du ist, das mich anspricht und
mich liebt. Gott hat uns zuerst geliebt, sagt Jesus. Gott liebt uns in der Schöpfung. Wir erfahren seine Liebe in seinen Worten, in denen er uns zärtlich anspricht. Und wir erfahren seine Liebe konkret in der Liebe Jesu, die darin gipfelt, dass er sein Leben hingibt für seine Freunde.
     
     
    WUNIBALD MÜLLER: Die Art unserer Beziehungen ist der Elchtest, ob unsere Spiritualität etwas taugt, ob es sich um eine dynamische Spiritualität handelt oder nicht. Das bleibt die große Herausforderung für alle, die meinen, an ihren Mitmenschen vorbei in die direkte Beziehung zu Gott gelangen zu können. Sie glauben, sich in der Welt der Ewigkeit ein Nest einrichten zu können, in das sie sich zurückziehen, um sich nicht den schwierigen und schmerzvollen Erfahrungen des Alltags aussetzen zu müssen. Sie tragen ihre Spiritualität gleichsam vor sich her. Ihre spirituelle Praxis hat aber keinen positiven Einfluss auf ihre Fähigkeit, auf andere Menschen zugehen zu können, wirklich in eine innige Beziehung zu ihnen treten zu können, ja, sie zu lieben.
    So geht es bei dem Thema »Gott ist die Liebe« zunächst auch um unsere eigene Liebesfähigkeit und die harte, aber auch klare Aussage, dass Gottesliebe ohne Bruder- und Schwesterliebe ein Ding der Unmöglichkeit ist. Diese Liebe muss sich dann auch in unserem konkreten Verhalten zum Ausdruck bringen, etwa in unserem Einsatz für die Armen und die Entrechteten oder in unserem Engagement gegen Gewalt und Krieg.
    Wenn ich den Aufmarsch des Militärs in
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