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Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott
Autoren: Anselm Gruen
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wacher, sensibler zu werden für das große Geheimnis, das wir Gott nennen. Doch auch sie stellt einen immer nur unzulänglichen Versuch dar, Gott in dem, was ihn letztlich ausmacht, darzustellen und zu vermitteln. Freilich ist das ein Versuch, dem unter den vielen Versuchen eine besonders große Bedeutung zukommt. Sehr treffend wird das im 4. Laterankonzil formuliert, wenn es heißt: »Wir glauben und bekennen..., dass es eine höchste Wirklichkeit gibt, und zwar eine unbegreifliche und unaussprechliche, die wahrhaftig Vater, Sohn und Heiliger Geist ist.«
    Gott kann zu mir über die Bibel sprechen - wie er auch über mein tiefstes Inneres und einen Fremden zu mir sprechen kann. Das ist mir wichtig. Was die Bibel mir über die Entstehung der Erde und der Schöpfung sagt, also wie das genau abgelaufen ist, hat für mich nur eine geringe Bedeutung,
wenn es überhaupt eine Bedeutung hat. Auch, weil es ja darum gar nicht geht. Es geht darum, in allem und hinter allem das Wirken und Schaffen dieser geheimnisvollen Kraft, die wir Gott nennen, zu erspüren und uns zu ermutigen und anzuregen, dafür sensibel zu werden, bei allem Erklärbaren dem Unerklärbaren Raum zu lassen.

BILDER VON GOTT, DIE UNS PRÄGEN

Was hat mein Bild von Gott mit dem wirklichen Gott zu tun?
    WUNIBALD MÜLLER: Wir sind in unserem Gespräch bereits auf die Bilder eingegangen, die wir von Gott haben. Wir tragen vermutlich alle bestimmte Bilder von Gott in uns. Bilder, die uns von den Eltern, im Unterricht, von der Religion, der wir angehören, vermittelt worden sind. Etwa das Bild, dass Gott uns kontrolliert und kleinhalten will, oder das Bild von Gott als dem barmherzigen Vater, das für mich ein wichtiges Bild von Gott ist.
    Wir scheinen das zu brauchen, sosehr es in der Entwicklung unserer Spiritualität auch ein Ziel sein kann, ohne solche Bilder von Gott auszukommen.Wir erkennen, dass auch sie nur blasse, vage Andeutungen über Gott und seine Eigenschaften sein können. Da die Bilder von Gott, die wir haben, uns stark prägen können und unsere Einstellung und unser Verhalten uns selbst und anderen gegenüber bestimmen können, ist es natürlich auch entscheidend, welches Bild wir von Gott haben.

    Daraus ergeben sich viele Fragestellungen, zum Beispiel: Was hat mein Bild von Gott mit dem wirklichen Gott zu tun? Was weiß ich über den wahren Gott? Woran erkenne ich, dass mein Bild von Gott etwas mit dem wahren Gott zu tun hat? Also wagen wir es, auf diese Fragestellungen einzugehen, mit denen wir uns selbst auseinandersetzen müssen und die uns in unserer Begleitung als Psychotherapeut oder geistlicher Begleiter oft beschäftigen.
     
     
    ANSELM GRÜN: In der geistlichen Begleitung erlebe ich oft, dass Menschen von negativen Gottesbildern geprägt sind. Da ist das Bild des strafenden Gottes. Solche Menschen tragen in sich oft eine Selbstbestrafungstendenz. Die Arbeit am Gottesbild ist dann immer auch Arbeit am Selbstbild. Statt sich selbst zu bestrafen, sollten diese Menschen lernen, sich selbst anzunehmen und sich von Gott angenommen zu wissen. Oder da ist das Bild des Richter-Gottes. Bei vielen führt das zu einem Selbstbild, dass sie sich selbst ständig richten und verurteilen und alles in sich bewerten und benoten.
    Andere tragen in sich das Bild des kontrollierenden Gottes, der alles sieht, der der verlängerte Arm der Eltern ist. Dieses Bild führt dann oft dazu, dass die Menschen alles ängstlich in sich kontrollieren. Sie leben in der Angst, sie könnten ihre Gefühle oder Leidenschaften nicht kontrollieren. Dann käme all das Negative in ihnen zum Vorschein. Oft steckt dahinter ein sehr negatives Selbstbild:Alles an mir ist schlecht, deshalb muss ich es kontrollieren, damit es keine destruktive Wirkung nach außen hat. Aber der Versuch, alles in sich unter Kontrolle zu halten, scheitert meistens. Irgendwie gerät dann das ganze Leben außer Kontrolle.

    Welche Erfahrungen machst du mit diesen Gottesbildern und wie kannst du als Therapeut diese Bilder ansprechen, ohne dass sie krank machen, sondern auf etwas Wesentliches hinweisen, auf Gesetze unserer Psyche und unserer Welt?
     
     
    WUNIBALD MÜLLER: In meinem Beratungszimmer habe ich ein Bild Rembrandts hängen, auf dem der verlorene Sohn abgebildet ist, der von seinem Vater liebevoll zu Hause begrüßt wird. Manchmal bitte ich die Menschen, die ich begleite, einen Blick auf dieses Bild zu werfen. Vor allem Menschen, die Zweifel haben oder sich nicht vorstellen können, dass Gott
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