Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott
Autoren: Anselm Gruen
Vom Netzwerk:
durchbricht, dass es eine höhere Macht, Gott, gibt. Wenn ich an Leute wie Marcel Reich-Ranicki oder den von mir sehr geschätzten Psychotherapeuten und Schriftsteller Irvin Yalom denke - beide sind Juden, die sich als erklärte Atheisten verstehen -, habe ich da meine Zweifel.
    Ich stimme ihnen nicht zu, aber sie lehren mich, erinnern mich daran, noch behutsamer und bescheidener von Gott zu reden. Das täte auch den Kirchen und unseren Predigten gut. Das gilt zum einen für unsere Gotteserfahrungen, die dunkel, obskur, unbegreiflich und - Gott sei Dank - geheimnisvoll bleiben. Es gilt aber noch mehr für jenes Reden von und über Gott, bei dem wir Gott für etwas verantwortlich machen, ihn für etwas zuständig erklären. Wir sind letztlich so weit weg von Gott, dass alles, was wir von ihm sagen, nicht mehr ist als
ein hilfloses Gestammel, das oft nicht mehr als eine Spekulation bleibt und einen letztlich unbrauchbaren und untauglichen Versuch darstellt, etwas über Gott auszusagen.
     
     
    ANSELM GRÜN: Allerdings ist der Atheismus natürlich eine ständige Herausforderung für die, die an Gott glauben. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils haben gerade die Trappisten, die ja ihre Existenz ganz und gar auf die Gottsuche bauen, einen Brief geschrieben, in dem sie den Atheismus als eine ständige Gefährdung auch der Glaubenden sehen. Wer Gott sucht, muss sich ständig auch damit auseinandersetzen, ob das alles nur Einbildung ist. Er muss sich immer wieder fragen, was er denn mit Gott meine.

Die Bibel beschreibt, wie der Mensch sich zum Menschen und zu Gott verhält
    WUNIBALD MÜLLER: Die Frage nach Gott spielt auch häufig bei der Diskussion, wie die Welt und der Mensch entstanden sind, eine Rolle. Ob die Bibel oder Darwin recht haben. Welche Rolle Gott dabei gespielt hat. So fragt James Watson, der vor über 50 Jahren mit der DNS die Geheimstruktur hinter allem Leben auf Erden vorhersagte: »Wer hat den genialen genetischen Code und das wunderschöne Wendeltreppenmolekül erfunden, wenn es nicht eine Art Gott gibt? Was ist dann der Ursprung des Lebens?«, um darauf zu antworten: »Manche Fragen wird man eben nicht
beantworten können... wir werden mehr über den Menschen lernen, wenn wir in den Schimpansen schauen als in die Bibel« (in:Wornser 2003).
    Es gibt viele Wege und Zugänge, um etwas über den Ursprung des Menschen zu erfahren, darunter die wissenschaftliche Forschung und die Bibel. Das eine schließt das andere nicht aus. Die Bibel ist unter anderem auch eine Sammlung von Mythen, dem Stoff, der zur Menschheitsgeschichte gehört, eine Art angesammelte, kollektive Weisheit, ein tiefes Wissen. In die Bibel schauen heißt daher auch, ein vertieftes Wissen über den Menschen und seinen Ursprung zu erhalten, die uns oft nicht bewusste, tiefere Schicht unseres Seins besser kennenzulernen, den Bezug des Menschen zum Göttlichen zu erahnen.
     
     
    ANSELM GRÜN: Die Bibel spricht in der Schöpfungsgeschichte auf sehr mythische Weise vom Menschen. Natürlich sagt sie uns nicht viel über die Entstehungsgeschichte des Menschen, über seine Biologie und über die Strukturen seines Gehirns. Aber sie sagt uns etwas Wesentliches über seine Psyche. Sie sagt uns, dass der Mensch eingebettet ist in den Kosmos, dass er aber sein Menschsein übersteigen möchte und sein möchte wie Gott. Das ist die Urversuchung des Menschen.
    Weiter beschreibt die Bibel in vielen Geschichten, wie der Mensch sich zum Menschen und wie er sich zu Gott verhält. Dabei beschönigt sie den Menschen nicht, sondern schildert ihn in seiner ganzen Abgründigkeit. Aber immer wieder lesen wir auch in der Bibel, wie dieser in sich zerrissene, von Neid und Hass sich nährende Mensch verwandelt
wird, wenn er sich auf Gott einlässt. Gott ist die eigentliche Therapie des Menschen. So zeigt es uns das Alte Testament. Das Neue Testament nimmt dieses Thema auf. Da ist es Jesus selbst, der die Kranken heilt. In der Begegnung mit ihm werden sie frei von krank machenden Lebensmustern, von Dämonen, von zwanghaften Größenfantasien, von inneren Komplexen und Ängsten.
     
     
    WUNIBALD MÜLLER: Worauf ich hinauswill, ist: Sosehr wir als Gläubige davon überzeugt sind, in unseren heiligen Schriften Gottes Stimme zu vernehmen, so dürfen wir dennoch nie vergessen, dass es sich dabei nicht um ein blueprint, eine fertige Vorlage, handelt.Wer die Bibel so versteht, verkennt ihre wahre Intention.
    Die Bibel kann uns helfen, wenn wir in sie hineinhören,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher