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Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall

Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall

Titel: Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
Autoren: Granger Ann
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Schuld entsprang, ein solches Desaster geradezu provoziert zu haben.
    Sie hatte sich selbst mitten ins Unrecht gesetzt und sich in eine Bredouille gebracht, aus der es keinen Ausweg gab. Ursula schob wütend ein frisches Blatt in die Schreibmaschine. In Augenblicken wie diesen geriet sie in Panik. Gefangen, voller Reue, hasste sie sich selbst, hasste Dan, sehnte sich danach, frei zu sein. Am meisten von allem hasste sie ihre eigene Tatenlosigkeit, wollte etwas gegen das alles unternehmen – nur was?
    Damals hatte alles so ganz anders ausgesehen, und sie hatte nicht den geringsten Zweifel daran gehabt, dass sie das Richtige tat. Dan und Natalie waren bekannt für ihre unsichere, sturmgepeitschte Ehe, ein Rätsel für jeden Außenseiter. Genau wie ihr Haus, das nur zur Hälfte eingerichtet war, wirkte auch ihre Ehe unvollkommen und nachlässig. Und doch waren beide für sich genommen überaus sorgfältig. Natalie in ihren Büchern und Dan bei seiner Arbeit. Es hatte Ursula nicht weiter überrascht, dass Dan unglücklich war, und im Nachhinein betrachtet, hatte sie sich wahrscheinlich geschmeichelt gefühlt, dass er ausgerechnet sie ins Vertrauen zog. Heute jedenfalls konnte sie die Eitelkeit in ihren Handlungen sehen: Natalie hatte Dan enttäuscht, doch sie, Ursula, würde die Wunde schon heilen.
    Sie hatte ihren Irrtum bald genug bemerkt. Dans ständiges Gejammer stellte sich als geübte Methode emotionaler Erpressung heraus, bis zur Perfektion geschliffen im Umgang mit seiner Ehefrau und nun gegen Ursula eingesetzt. Er verlangte all ihre Zeit und Aufmerksamkeit, war sowohl eifersüchtig als auch besitzergreifend und, wie sie vermutete, nicht immer ganz ehrlich. Oder jedenfalls besaß er das Talent, die Dinge stets so darzustellen, dass er im bestmöglichen Licht erschien. Ein Streit war niemals Dans Schuld, sondern stets die der anderen Person. Eine Verspätung hatte ihre Ursache immer darin, dass Dan durch andere aufgehalten worden war. Wenn er bei der Etikettierung einen Fehler machte, lag das am schlechten Licht im Bauwagen und an Ursulas unleserlicher Handschrift. Und so weiter.
    Ganz ohne Zweifel praktizierte Natalie die gleiche Art von emotionaler Erpressung gegenüber Dan, und die beiden lebten in einer ständigen gegenseitigen Folter. Zu spät war Ursula bewusst geworden, dass kein Außenstehender jemals wissen kann, wie es in einer Beziehung zwischen zwei Menschen wirklich aussieht, ganz gleich, wie diese Beziehung nach außen hin erscheinen mag.
    Und an dieser Stelle hatte Ursula für sich entschieden, dass sie nichts damit zu tun haben wollte. Sich von Dan zu trennen war jedoch eine ganz andere Sache, insbesondere, weil sie Arbeitskollegen waren.
    Ursula kritzelte Männchen auf ihren Notizblock. Natalie. Hatte Dan die Wahrheit erzählt? Oder hatte sie erneut eine Version zu hören bekommen, die durch Dans Filtermechanismen gelaufen war, um die Realität an seine Vorstellungen anzupassen? Selbst jetzt noch bemühte sie sich, fair zu bleiben und einzuräumen, dass er möglicherweise die Wahrheit gesagt hatte. Natalies Mutter lebte in Bamford. Ursula hatte das Haus gesehen. Amy Salter war des Öfteren krank, und Ursula wusste, dass Amy ihre Tochter regelmäßig anrief und sie bedrängte, zu Besuch zu kommen, damit sie ihrer
    »kranken Mutter« helfen könne. Es ergab Sinn.
    Aber nicht die unfertigen Korrekturausdrucke. Nicht die Brieftasche mit den Kreditkarten, und nicht die Autoschlüssel. Und was hatte er überhaupt gemeint, als er sagte er könne die Dinge ändern? War das wieder nur sein dummes Gerede, oder hatte er bereits etwas getan? Wusste er, dass sich etwas verändert hatte? Ursula sah ein, dass sie nicht mehr zum Arbeiten kommen würde, und wenn sie sich noch so sehr bemühte. Sie räumte ihre Notizen weg und ging nach unten, wo sie den Kopf in das Arbeitszimmer ihres Vater streckte.
    »Dad?«
    »Was ist denn, Darling?«, murmelte ihr Vater, ohne von seiner eigenen Arbeit aufzublicken.
    »Ich muss für ein paar Stunden raus. Ist es in Ordnung, wenn ich den Wagen nehme? Du brauchst ihn doch nicht mehr heute Abend, oder?«
    »Wagen?« Er hob den Kopf, drehte sich um und sah seine Tochter zerstreut an.
    »Ach ja, der Wagen … sicher, nimm ihn nur.«
    »Ich komme nicht allzu spät nach Hause.« Er war bereits wieder in seine Bücher vertieft. Ursulas Familie bestand ausschließlich aus Akademikern, und sie waren eine große und glückliche Familie gewesen. Doch dann war Ursulas Mutter gestorben, und
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