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Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt...
Autoren: Richard Gordon
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indem ich sie dazu ermunterte, ihre Schuldgefühle offen mit mir zu besprechen.« Er lehnte sich mit ernstem Gesicht nach vorn. »Freud hätte doch sicherlich das gleiche getan, wenn er der Vikar von St. Alphege gewesen wäre?«
    Ich stimmte ihm aus ganzem Herzen zu.
    »Ich habe im Seminar ernsthaft Psychologie studiert, wissen Sie. Aber ich kann und kann nicht begreifen, warum Mrs. Gladwin mir mit einer Blumenvase eins über den Schädel gegeben hat.«
    Ich verlieh dem Wunsch Ausdruck, die Verletzung möge nur oberflächlich sein.
    »Die Beule habe ich immer noch. Aber Mrs. Vince -« Er hielt inne. »Sie hatte keine solchen Hemmungen.«
    Er starrte auf seine Zehen in den Sandalen. »Sie könnte einem jungen Geistlichen vermutlich vieles beibringen, was er im Seminar nie gelernt hat.«
    »Sie könnte wahrscheinlich auch einem jungen Arzt vieles beibringen, was er während seines Medizinstudiums nie gelernt hat«, pflichtete ich ihm großzügig bei.
    »Sie schlug mir vor, ich solle ihre Kopfschmerzen durch Handauflegen heilen. Dagegen ist doch nichts zu sagen?« Er holte tief Luft. »Bei ihrem nächsten Besuch -das war zufällig am nächsten Tag - machte ich ihr, als wir uns gerade mit ihren Sünden beschäftigten, den Vorschlag, eine Pause einzulegen und eine Tasse Tee zu trinken. Sie sagte: >Oh, wie nett.< Ich ging in die Küche, um den Tee aufzugießen. Dann brachte ich die Kanne hinein - und ließ das Tablett fallen. Sie saß, wie man so sagt, >oben ohne< da.«
    »Das ist eine ziemlich läßliche Sünde«, entgegnete ich. »Zerbrochene Bierflaschen am Strand sind weitaus gefährlicher.«
    »Ja, aber sie wollte, daß ich ihr Herzklopfen auch durch Handauflegen kurieren sollte. Das kann sich ein Geistlicher doch wirklich nicht erlauben.«
    »Da muß ich Ihnen zustimmen«, sagte ich teilnahmsvoll.
    »Ich glaube, ich sollte die ärztliche Betreuung lieber lassen, Doktor.«
    »Ich bin mit Ihnen voll und ganz einer Meinung.« Ich stand auf. »Es tut mir leid, daß ich Ihnen keinen Whisky mehr anbieten kann, aber das Telefon klingelt, und ich habe Bereitschaftsdienst.«
    Es war Jim Whynn. Er fühlte sich gesund, fragte aber, ob ich nicht Sonntag morgens zu ihm kommen und ihn noch einmal untersuchen könnte.
    Es war Frühstückszeit, als ich bei ihm eintraf. Er lief in dem runden Wohnzimmer wütend auf und ab.
    »Sieh dir das an!«
    Er zeigte mit dem Finger auf jene Zeitung, die fast unser beider Leben zerstört hätte.
    »Lord Churchford? Ja, ich habe sein Bild auf der ersten Seite gesehen«, bemerkte ich.
    »Er hat kein Recht zu leben; er sollte längst tot sein. Ich dachte, er sei schon seit Jahren tot. Wie alt ist er? Neunundneunzig? Einhundertzwanzig? Er hätte bei der Greisenparty vom Echo den ersten Preis gewinnen können.«
    »Ich habe auch gedacht, er sei tot. Einer meiner Patienten. Ich hab ihn seit fünf Jahren nicht mehr gesehen; damals hatte er sich beim Baumfällen ein Handgelenk verstaucht. Er muß so zäh sein wie ein Karamellbonbon.«
    Jim schnappte die Zeitung und starrte auf das Photo von Lord Churchford; der Gentleman glich darauf einem Walroß, das nach mehreren Jahrhunderten im Moor entdeckt worden war.
    Lord Churchfords aggressive Reaktion auf die Schließung des Dower House war wüst, hinterhältig und großartig. Die Regierung hätte vergessen, daß Nye Bevan -ein persönlicher Freund, ein charmanter Kerl, der von vielen mißverstanden wurde; es war wirklich eine Schande, daß man ihn die Stufen zum White Club hinuntergestoßen hat, weil er 1948 die Tories als schlimmer als jedes Gesindel bezeichnet hatte - das Dower House als hochgeschätztes Darlehen an den neugeschaffenen Gesundheitsdienst entgegengenommen hatte. Das Dower House sei auf ebenso entschlossene Art und Weise unabhängig wie andere Krankenhäuser, in denen besonders Katholiken, Freimaurer, Gewerkschaftsmitglieder und Frauen Aufnahme fanden.
    »Ist dieses Argument absolut stichhaltig?« fragte Jim ungeduldig.
    Ich nickte. »Oh, ja, es waren komische Vögel, die Nye Bevan nur zu gern aus dem nationalen Sozialnetz entkommen ließ. Das Dower House untersteht dem Gesundheitsdienst ebensowenig wie das Ritz.«
    Jim stöhnte. »Der alte Churchford ist leider eine geachtete Persönlichkeit unseres Landes, nachdem er jahrelang unser fähigster Politiker war seit den Zeiten, in denen Politiker noch Gefahr liefen, auf dem Tower Hill gevierteilt zu werden. Nichts bringt eine Regierung mehr aus der Fassung als das anklagende Muhen heiliger
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