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Wenn Wir Tiere Waeren

Titel: Wenn Wir Tiere Waeren
Autoren: Wilhelm Genazino
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Bettenabteilung. Es sah hier so penetrant nach Hochzeit, Ehe und Fortpflanzung aus, dass in meinem Gemüt fast automatisch Fluchtimpulse aufstiegen. Aber ich durfte diesmal nicht fliehen. Maria hatte mir, mit einer leicht drohenden Färbung in der Stimme, den Auftrag gegeben, nicht nur neues Bettzeug anzuschaffen (zwei neue Bettlaken, einDaunenfederbett und zwei Daunenfederkissen einschließlich Kissenbezüge), sondern gleich ein neues Bett. Sie hatte das Wort Ehebett vermieden, sondern nur gesagt, wir brauchen ein Bett, in dem wir beide bequem schlafen können. Sie hatte sich bereit erklärt, sich an den Anschaffungen finanziell zu beteiligen. Ich hatte keinerlei Widerstand gewagt. Gegen ein neues Bett (mit Zubehör) konnte ich nichts einwenden, weil mein Bettproblem tatsächlich nicht mehr länger aufgeschoben werden konnte. Mein Bett stammte aus meiner frühen Junggesellenzeit, das heißt, aus meinen Studentenjahren. Es war (ist) ein schlichter Eisenrahmen mit einer Drahtmatte und einer Schaumgummimatratze. Ich hatte mich schon öfter gewundert, dass dieses Gestell nicht schon lange zusammengebrochen war. Aber es hielt stand in all den Jahren, auch dann, als Maria in mein Leben trat und oft bei mir übernachtete. Karin hatte sich geweigert, in dem Studentenbett zu übernachten; sie ging, wenn sie bei mir war, oft mitten in der Nacht nach Hause, weil sie sich vor meinem Bett ein wenig gruselte. Maria gruselte sich nicht, weil ihr die Nähe zu mir immer wichtiger war als das Bett, auf dem diese stattfand. Ich glaube, sie schätzte mein schmales Bett, weil es uns zwang, dicht an dicht neben- oder beieinanderzuliegen. Wir umarmten uns oft auch noch aus sicherheitsspezifischen Gründen, weil wir argwöhnten, dass der eine oder andere nachts im Schlaf vielleicht aus dem Bett fiel. Das alles war nicht ganz ernst gemeint, sondern war ein spaßiger Übergang in den Nachtschlaf. Ich schlich mich nach zwei oder drei Stunden Übernähe auf eine Schaumstoffmatte, die ich für diesen Fall angeschafft hatte. Morgens jammerte Maria dann oft ein bisschen herum, weil sie mich wieder auf die Notmatratze vertrieben hatte. Damit sollte jetzt ein für allemalSchluss sein. Ich fühlte, dass ich in der Bettenabteilung rasch handeln musste. Ich war nicht dazu geeignet, zwischen einem Dutzend Zwei-Personen-Betten verschiedener Preisklassen auszuwählen und irgendwelche Vor- und Nachteile abzuwägen. Weil ich nicht wusste, für welches Bett ich mich entscheiden sollte, würde ich mich in Kürze zu einem piratenartigen Kaufakt überreden müssen. Ich würde mich lediglich von der ausreichenden Breite des Bettes leiten lassen.
    Ich hatte mich gerade so halb und halb für ein stabil wirkendes Kirschbaumbett von 2,00 Meter Breite entschieden, da sah ich etwa zwanzig Meter vor mir die Rückenansicht von Thea. Ich erkannte sie sofort an ihrem ausrasierten Nacken, an ihrem dunklen Bubikopf und an zwei dicht nebeneinanderliegenden Warzen auf der linken Halsseite. Ich versteckte mich hinter einem Stapel Matratzen und verfolgte Thea mit leider immer noch erregten Blicken. Ich wollte nicht, dass sie mich entdeckte, ich wollte nicht mit ihr reden. Schon gar nicht wollte ich ihr zeigen, dass ich mich immer noch zu ihr hingezogen fühlte, sogar in einem Möbelhaus. Allerdings war ich neugierig, was sie auf der Bettenetage suchte. Sie trödelte langsam einen Gang entlang und schaute alles an, Lattenroste, Stahlroste, Matratzen, Bettengestelle, sogar Rollbetten, Kissen und Bettwäsche. Ihre Aufmerksamkeit für alles war nicht neu für mich, ich erinnerte mich meiner früheren Ungeduld, als ich noch mit ihr zusammen solche Kaufhauswanderungen unternehmen musste.
    Da drehte sie sich zur Seite, und ich sah, dass sie hochschwanger war. Es war, als würde eine Art Fraktur in mich hineinfahren und mich lähmen. Ausgerechnet Thea, die nie schwanger werden wollte, hatte sich einen Bauchmachen lassen. Mein Zittern zeigte mir, was ich nicht wissen wollte: dass meine Verbundenheit mit Thea niemals abgerissen war. Ich öffnete ein wenig den Mund und schob die Zungenspitze in den linken offenen Mundwinkel. In mir keimte ein unfeines Unglück, von dem ich nicht wusste, ob es klein blieb oder größer werden würde. Dass Thea mit einem anderen Mann zusammenlebte, hatte ich inzwischen hingenommen, aber dass sie von diesem Mann auch schwanger war, überstieg meine Toleranz. Ich bemerkte den klagenden Ton aller Sätze, die ich in schneller Folge an mich hinredete. Obwohl
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