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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen
Autoren: Léo Malet
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Sie
kam wie gerufen! Mein Lieber, der zweite Teil Ihres abenteuerlichen Berichts
klingt nicht ungereimt, sondern arg zusammengereimt!“
    „Wirklich? Und wer sagt, daß Sie das
Mädchen am selben Tag getötet haben, an dem Dacosta sich erhängt hat?! Sie
können Sie auch schon einige Tage vorher umgebracht haben — sagen wir Mittwoch
— und sie dann in Ihrem Keller zum Beispiel aufgebahrt haben, bis sich eine
günstige Gelegenheit bot, sie unters Volk zu bringen. In dieser heißen Gegend
sind die Keller sehr kühl. Ich weiß das aus Erfahrung, weil ich nämlich Mortaut
ebenfalls in einem Keller gelagert habe. Apropos Mortaut: Er war für Sie und
Blois äußerst gefährlich. Für Sie, weil er mir glaubhaft hätte versichern
können, daß er keinen Grund gehabt hatte, mir die Banknote zu entwenden. Und
für Blois, weil er ihn mühelos als Verräter von Algier identifizieren konnte.
Durch mich haben Sie erfahren, wo er sich aufhielt. Ich habe Sie sogar noch
hingefahren! Er war nicht zu Hause, doch er würde zurückkommen... Nachdem Sie
mich in jener Nacht verlassen hatten — wobei Sie den Angsthasen spielten und es
sicher auch waren, weil alles aus dem Ruder zu laufen drohte — , sind Sie zu
Blois geeilt, und zusammen sind Sie in die Villa Lydia gefahren. Mortaut
kommt zurück, Sie ermorden ihn und stecken ihm einen ,Bonaparte“ zu,
Ausgabedatum Juni 1962, gezeichnet O.A. S. mit dem Lippenstift, um mich zu
täuschen... Sicher wird man bei Ihnen die Waffe finden, mit der dieser letzte
Mord begangen wurde, genauso wie den Mantel, den Agnès sich von dem Zigeuner
,ausgeliehen“ hatte. Na ja, vielleicht auch nicht.“
    „Vielleicht... vielleicht auch nicht!“
höhnt der Beschuldigte. „Wen wollen Sie mit solchem Geschwätz überzeugen? Das
Ganze ist doch nur eine Ansammlung von Vermutungen und unhaltbaren
Schlußfolgerungen! Sie erbringen nicht die Spur eines Beweises. Sie reden von
diesem und jenem, so als wären Sie es selbst. Sie interpretieren ein Lächeln,
ein Räuspern...“
    „Ja, ja“, unterbreche ich ihn. „Das
sind alles nur Vermutungen, einverstanden. Und Laura?“
    „Was, Laura? Was hat Laura damit zu
tun? Sie fährt irgendwo in der Weltgeschichte herum...“
    Er bricht in nervöses Gelächter aus.
    „Großer Gott! Sie werden uns doch wohl
nicht im Ernst erzählen wollen, daß Sie auch eine Rolle in Ihrer Räuberpistole
spielt?“ ruft er.
    „Stellen Sie sich vor, genau das frage
ich mich gerade: Welche Rolle hat Laura Lambert gespielt? Sie hat mich gebeten,
nach Montpellier zu kommen, und als ich komme, fährt sie weg. Ruft mich nur
kurz an und wünscht mir Glück für meine Ermittlungen. Auf Wiedersehen!
Unmöglich, Kontakt mit ihr aufzunehmen. Genau deswegen mußte ich so häufig an
Laura denken. Und heute nachmittag mußte ich ganz intensiv an sie denken, als
ich nämlich von dem Zigeuner gehört hatte, was mit Agnès geschehen war. Wohin
konnte Agnès sich geflüchtet haben, nachdem sie den Wohnwagen verlassen hatte?
Welches war ihre letzte Etappe, bevor sie in dem Sägemehl landete? Sie ist doch
wohl eher zu einer Frau als zu einem Mann gegangen, dachte ich mir. Ich fahre
also bei Laura vorbei, um zu sehen, ob Agnès bei ihr ist. Bei Laura, die
vielleicht gar nicht in der Weltgeschichte herumreist, wie Sie sagen! Nun,
Laura ist tatsächlich auf Geschäftsreise, und deshalb kann sie auch nicht
ahnen, daß in ihrem Briefkasten eine Nachricht liegt, die Agnès — auf ihrem Weg
ins Sägemehl — dort eingeworfen hat. Und das, mein Lieber, ist nun keine
Vermutung!“
    Ich ziehe besagte Nachricht aus meiner
Tasche.
    „Das Briefchen ist auf den 11. Mai datiert“,
sage ich. „Das heißt, auf letzten Mittwoch, den Tag, an dem ich mit einem
ausgewachsenen Kater und den Folgen eines K.-o.-Schlags zu kämpfen hatte. Es
ist genau der Tag, an dem Laura Montpellier verließ. Ein paar Stunden früher,
und Agnès hätte ihr Leben retten können! Hören Sie, was Agnès schreibt:
     
    Liebe Laura!
    Schade, daß Sie nicht zu Hause sind.
Mit Monsieur Dorville werde ich nicht so offen reden können wie mit Ihnen.
Laura, ich bin traurig und glücklich zugleich! Ich bin eine Hure, aber ich habe
Dinge erfahren, die gut für Papa sind. Der Verräter von Algier, das ist
Castellet, Rue Daranaud, Damenwäsche Mireille. Ich habe ein Gespräch zwischen
ihm und einem dieser barbouzes belauscht. Castellet hat den Mann umgebracht, und dann hat er mich
im Nebenzimmer erwischt, wo ich alles gehört hatte. Er hat mich nach
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