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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Autoren: Astrid Ruppert
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mir und verzeihen mir?«, bat er sie. »Ich möchte keine blauen Blumen mehr sehen, ich möchte lieber in blaue Augen sehen. In Ihre blauen Augen.«
    Er stand vor ihr und sah sie an, sein Gesicht war in ein vorsichtiges Lächeln aus tausend kleinen Falten gelegt, aus denen seine Augen sie freundlich anfunkelten.
    Annemie reichte ihm die Hand und lächelte ebenfalls vorsichtig. Ich wandele durch Blumen, dachte sie noch, bevor sie einfach ja sagte. Ja.
    Er öffnete die Beifahrertür des Lieferwagens und half ihr auf die Sitzbank hinauf, dann schloss er die Tür und ging um den Wagen herum, um selbst einzusteigen, und strahlte sie an, während er den Schlüssel im Zündschloss drehte. Gerade als der Wagen sich langsam in Bewegung setzte, kam das Auto von Claus Winter vor Annemies Haus zum Stehen, und Claus Winter stieg erstaunt aus. Er lehnte an seiner Wagentür, schaute verblüfft auf das wogende Blau, sah Hannes und Annemie in dem alten Lieferwagen der Gärtnerei Winter sitzen, in der nun sehr viel Frühling herrschen würde, und verstand.
    Als Hannes an ihm vorbeirollte, winkte er ihm zu.
    »Dieses Mal kommst du zu spät, mein Lieber. Dieses Mal schon …«, und Claus nickte. Er hatte verstanden und blickte den beiden zufrieden, wenn auch mit etwas Wehmut hinterher.

    Hannes hatte den Eingang zur Gärtnerei ebenfalls mit Hortensien gesäumt, mit den sehr, sehr tiefblauen, es waren die letzten, die er hatte. Das, was einmal das blaue Gewächshaus gewesen war, stand leer.
    »Tut es Ihnen nicht leid?«, fragte Annemie und sah ihn an.
    »Nein«, antwortete er. »Es ist viel schöner so. So habe ich auch mehr Zeit für den Rosengarten!«
    Und dann führte er sie in die Laube, wo er ihnen erst einmal einen Kaffee aufbrühen wollte, den sie zwischen den Rosen trinken könnten.
    »Es wird Ihnen dort heute noch besser gefallen«, kündigte er an, während er das Wasser über das Kaffeepulver laufen ließ. »Die Rosen sind extra für Sie aufgeblüht und duften aufs Schönste.«
    Annemie sah sich um und entdeckte, dass Hannes alles, was man in diesem Raum parallel legen konnte, für sie parallel zueinander gelegt hatte. Jedes Stäbchen, jeder Stift, jedes Besteck, jedes Buch, alles war perfekt aufeinander ausgerichtet. Sogar die Teppichfransen des kleinen Läufers vor seinem Bett lagen parallel nebeneinander. Hannes war ihrem Blick gefolgt und nickte.
    »Marotten muss man ernst nehmen. Besonders wenn etwas Neues im Leben passiert, ist es überaus wichtig, an Vertrautem festzuhalten.«
    »Oder man macht genau das Gegenteil«, erwiderte Annemie. »Man fängt neu an und bringt alles ein wenig durcheinander, damit alles seine neue eigene Ordnung finden kann. Und damit die Träume genug Ritzen finden, durch die sie hindurchrutschen können ins Leben.«
    Damit zog sie mit einer spielerischen Handbewegung einmal den Finger über den Tisch und verschob alle Gegenstände, als hätte der Zufall sie drapiert. Und Hannes nahm ihre Hand in seine, küsste sie, mit einem Handkuss, der nicht formvollendet kurz über dem Handrücken endete, sondern bei dem sie seine Lippen spürte, sein Gesicht und seine Wärme.
    »Dann werden wir jetzt mal träumen und leben, so gut es eben geht«, lächelte er, und Annemie erwiderte sein Lächeln.
    »Ja.«

    Liz versuchte, ihrem kleinen, flachen und brettharten Marmorkuchen durch die Kuvertüre noch zu etwas Ansehen zu verhelfen. Doch sie befürchtete, dass sie damit nicht viel ausrichten würde und dass sie noch einen weiteren Versuch starten müsste, um einen halbwegs vorzeigbaren Kuchen für Annemie hinzubekommen. Woran es wohl lag, dass sie noch nicht einmal in der Lage war, einen langweiligen Marmorkuchen zu backen? Sie nahm ein paar der verbrannten Krümel, die sie außen abgekratzt hatte, öffnete behutsam einen Fensterflügel und streute sie vorsichtig außen auf die Fensterbank ihres Küchenfensters. Vielleicht würde der Zaunkönig die Krümel ja mögen? Der winzige Vogel war sofort verschreckt weggeflogen, saß auf dem benachbarten Balkongeländer und stieß in einem aufgeregten Stakkato Warnsignale hervor, die so laut waren, dass man gar nicht vermutete, dass sie solch einem winzigem Körper entspringen konnten.
    »Ich meine es ja gar nicht böse, ich bin gut zu euch! Ich tu euch nichts!«, rief sie ihm zu und fand es schade, dass er keine Menschensprache verstand. Sein Leben wäre leichter, wenn sie eine Sprache fände, in der sie ihm erklären könnte, dass sie nicht zu seinen Feinden gehörte.
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