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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Autoren: Astrid Ruppert
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es ihr tat, wie ernst es ihr war und wie sehr sie sich wünschte, dass sie nicht mehr litt.
    Backen, dachte Liz. Ich werde für sie backen. Wenn sie erst einmal eingekauft hatte, würde sie das sogar im Sitzen machen können und ihr Bein dabei hochlegen. Sie begann zu spüren, dass sie sich heute übernommen hatte. Auch ihre Arme waren total zittrig und schmerzten von der ungewohnten Anstrengung. Aber das war jetzt egal. Zuerst musste sie einkaufen und für Frau Hummel backen.
    Als sie im Edekaladen durch die Reihen humpelte und bei den Zutaten in der Nähe der Kasse stand, hörte sie, wie Waltraud sich gerade mit Frau Schneider unterhielt, die noch nicht wusste, wie die Sache mit der Erdbeertorte ausgegangen war.
    »Und dann ist sie wiedergekommen, ohne Kuchen und ohne ihre Tortenschachtel und ohne Blumen, und lief hier entlang, als würde man sie an einem Bändchen ziehen. Kein Blick, kein Hallo, nichts.«
    Liz rückte ein Stück näher zur Kasse, um besser mithören zu können.
    »Und dann hat sie gesagt, mit dem Backen höre sie jetzt auch auf. Widerliches süßes Zeug, das hat sie gesagt. Können Sie sich das vorstellen? Und dass das Leben so bitter ist und dass da auch kein Kuchen mehr hilft.«
    Als Liz ihre Krücke aus der Hand fiel, drehten sich die beiden zu ihr um, und alle drei schwiegen betreten.
    »Und ich war auch noch gemein zu ihr«, gestand Liz. »Jetzt backe ich ihr etwas. Meinen Sie, das freut sie überhaupt?«
    Die beiden waren sich sicher, dass es Annemie freuen würde, und während sie ihr halfen, die richtigen Zutaten zusammenzusuchen, und beratschlagten, welchen Kuchen sie am besten backen sollte, erzählten sie Liz von den immer schöner werdenden Blumensträußen und den immer leuchtenderen Augen ihrer Freundin. Das verbesserte Liz’ Stimmung zwar überhaupt nicht, im Gegenteil, sie fühlte sich dadurch noch schuldiger, als sie es sowieso schon tat. Annemie hätte Trost gebraucht, und sie hatte ihr auch noch den Dolch in den Rücken gestoßen.
    »Sie meinen also Marmorkuchen.«
    »Ja, und lassen Sie die Butter schön flüssig werden, dann wird er lockerer«, riet Waltraud.
    »Und trennen Sie die Eier, das Eiweiß geben Sie extra aufgeschlagen dazu«, ergänzte Frau Schneider.
    »Ach was, das mache ich nie. Das braucht man nicht, glauben Sie mir, und ich habe bei einem Bäcker gearbeitet, jahrelang. Daher kenne ich doch auch die Annemie.«
    Liz schaute hilflos zwischen den beiden hin und her.
    »Aber auf was Sie achten sollten, also, wenn Sie das Mehl unterheben, dann machen Sie das von Hand. Nicht den Mixer nehmen. Der Teig wird sonst wie Gummi.«
    »Aha. Hoffentlich kann ich mir das alles merken!«
    »Und Sie dürfen nie die Ofentür abrupt öffnen, da erschrickt der Kuchen!«, rief ihr Frau Schneider noch hinterher, als sie mit einer Tüte an ihrer Krücke aus dem Laden humpelte. Liz hatte gar nicht gewusst, dass Kuchenbacken so eine sensible Angelegenheit war. Dass Kuchen sogar erschrecken konnte.
    Als Liz in ihrer Küche später versuchte, gleichzeitig ihrem Backbuch zu gehorchen, den Anweisungen der beiden Damen Folge zu leisten und dabei auch noch den Teig zu rühren, wurde ihr klar, dass Kuchenbacken eine wesentlich komplexere Angelegenheit war, als sie gedacht hatte. Und dass es mit der Herstellung des Teiges und der damit einhergehenden Verwüstung der Küche noch lange nicht getan war. Denn während ihr Kuchen am Rand schon verbrannte, war er innen noch völlig flüssig, was vielleicht daran lag, dass sie vergessen hatte, die richtige Temperatur einzustellen. Jedenfalls musste sie den Kuchen noch einmal zurück in den Ofen bugsieren, wozu sie sich mit dem Stuhl vor den Herd setzen musste, um beide Hände frei zu haben und nicht auch noch vor einem zweihundert Grad heißen Ofen mit einem flüssigen Kuchen in Händen auf einem Bein zu balancieren. Auch dass man beim Verzieren des Kuchens Fehler machen konnte, war ihr neu. Erst als sie sich wunderte, warum die Schokoladenkuvertüre über den Kuchen lief und überhaupt nicht fest wurde, lernte sie, dass der Kuchen abgekühlt sein musste, bevor man die dickflüssige Schokolade auftrug. Liz seufzte. Das war eigentlich auch logisch. Aber bevor sie das alles fertigstellen konnte, musste sie sich erst einmal hinlegen. Und fiel binnen Sekunden auf ihrem Sofa vor Erschöpfung in einen Tiefschlaf. Weshalb sie weder das Türklingeln noch das Telefon hörte, das hartnäckig schellte. Denn ihr Schlaf war hartnäckiger.

13
    A nnemie erwachte am
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