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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Autoren: Astrid Ruppert
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abgetan. Doch als sie in der unromantischsten Zeit ihres Lebens wie aus Versehen in dieses Geschäft hineingerutscht war, hatte sie zu allem Überfluss festgestellt, dass sie verdammt gut war im Planen von Hochzeiten. Nachdem ihre eigene Hochzeit auf so peinliche Art geplatzt war, hätte sie vor Wut darüber in die Luft gehen können, dass ausgerechnet sie Opfer eines solch plumpen Klischees hatte werden müssen. So etwas kam in Seifenopern vor, dass der Mann, den man liebte, einen kurz vor der Hochzeit mit der besten Freundin betrog, aber doch nicht im wirklichen Leben!
    Und vor allem nicht in ihrem.
    Der Schmerz über Jos Betrug und Claires Verrat kam erst später und war viel nagender und ausdauernder als die Wut. Liz wusste nicht, welcher Betrug sie mehr enttäuschte. Dass ihre beste Freundin sie hinterging oder dass der Mann, mit dem sie ihr Leben hatte verbringen wollen, so geschmacklos war, sie ausgerechnet mit ihrer Freundin zu betrügen. Bevor dieser Schmerz sie vollends lähmte, bot sie in der Tageszeitung ihre bis ins Detail liebevoll geplante eigene Hochzeitsfeier samt Brautkleid und Blumenschmuck, Pfarrer und Trauspruch an, und schon am Morgen des Erscheinungstages meldete sich ein entsetzlich verliebtes Pärchen und kaufte sie ihr ab. Sogar das Menü und den Lieblingsnachtisch ihrer Kindheit übernahmen die beiden, ohne ihn auch nur probiert zu haben. Den hatte ihre Mutter immer gemacht, wenn sie ihren Mädels – und sich – einmal etwas Gutes tun wollte: Grießflammeri mit Himbeersauce und gerösteten Mandelsplittern. Das verliebte Pärchen fand, das sei eine überaus reizende Idee. Und Liz wunderte sich, dass es ihr weniger ausmachte, ihr Brautkleid an eine fremde Frau zu verkaufen, als sich vorzustellen, dass diese ihren Lieblingsnachtisch aß. Sie wäre sich albern vorgekommen, das Menü zu ändern. Und doch war es ausgerechnet der Gedanke an die duftende Himbeersüße, die sich am Gaumen mit dem cremigen Flammeri vermischte, den sie nun am Tag ihrer geplanten Hochzeit nicht schmecken würde, der sie nachts ins Kissen schluchzen ließ.
    Als Freunde dieses Paares kurz darauf ebenfalls heiraten wollten und in Erinnerung an deren gelungene Feier um Hilfe baten, verwiesen die glücklich Getrauten sie an Liz, und so setzte sich die Reihe der Empfehlungen fort. Es gab anscheinend eine ganze Menge glücklicher, heiratswütiger Paare. Und nicht alle Bräutigame schienen ihre Auserwählte so schamlos zu betrügen. Oder aber die Bräute kamen vor der Hochzeit einfach nie früher als erwartet nach Hause.
    Zunächst war es nur ein Hobby, mit dem Liz die viele freie Zeit totschlug, die ihr plötzlich zur Verfügung stand, so ganz ohne Freund und ohne beste Freundin. Doch dann begann dieses Hobby immer mehr Raum zu beanspruchen, so dass sie sogar schon Urlaub nehmen musste, um die Organisation mancher Festivitäten zu bewältigen. Als ihre Wohnung von Tortenschmuck, Brautmodenkatalogen und Zetteltürmen irgendwann schier überquoll und wesentlich romantischer aussah als ihr eigentliches Leben, beschloss sie, dass es Zeit war, etwas zu ändern. Sie fasste sich ein Herz, zog in eine neue Wohnung, in der sie nichts mehr an Claire oder Jo erinnerte, kündigte ihren Job als Sekretärin und gründete »Hochzeitsfieber«. Eine Agentur für Hochzeitsplanung von der kleinen, intimen Feier bis zum Riesenevent, je nach Wunsch und Portemonnaie. Schließlich wusste sie genau, wie man sich als Braut fühlte: Sie kannte die heimlichen Wünsche der jungen Frauen, die nach außen ganz cool und selbstbewusst auftraten, aber trotzdem von einer Cinderella-Hochzeit wie aus dem Bilderbuch träumten. Sie kannte all die romantischen, kleinen Sehnsüchte, die vom Zukünftigen erfüllt werden mussten, am besten ohne dass je ein Wort darüber gefallen war. Liz half den Bräuten dabei, ihre Wünsche zu erkennen, und den Bräutigamen, ihren Bräuten jeden Wunsch von den Augen abzulesen, indem sie heimlich für sie simultan übersetzte. Alle waren glücklich, und Liz’ Kasse klingelte. Und sie fand, dass es genau darauf ankam. Eine gute Geschäftsidee zu haben und damit erfolgreich zu bestehen. Aus der dunkelsten Stunde ihres Lebens hatte sie etwas gemacht. Andere legten sich ins Bett und weinten sich die Augen aus dem Kopf. Das hatte Liz zwar auch getan, aber sie hatte das Gefühl nicht überhandnehmen lassen. Überhaupt hatte sie Gefühle seitdem nicht mehr überhandnehmen lassen. Darauf war sie stolz. Sie würde nicht mehr an
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