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Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers

Titel: Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers
Autoren: Lutz Schumacher
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atmete schwer. Das bekleckerte Hemd zeigte nasse Flecken unter den Achselhöhlen. Er blickte in den Rückspiegel. Da war gar keine Mauer. Da war nichts. War er jetzt völlig durchgedreht? Hatte ihn die »Route der Sicherheit« erledigt? »Was tun die hier mit mir?«, keuchte Harald. Er blickte erneut in den Rückspiegel, dann drehte er sich sicherheitshalber auch noch um. Es blieb dabei: Die weiße Mauer war verschwunden. Langsam fuhr Harald ein Stückchen weiter und hielt dann auf einem Seitenstreifen an. Immer noch weit entfernt vom Ruhepuls stieg er vorsichtig aus. Seine Knie fühlten sich weich an, unsicher ging er ein paar Schritte auf dem Bürgersteig, dann schien das Gehen wieder zu funktionieren. Langsam ging er die Straße zurück zu der Stelle, an der die Mauer gestanden hatte. Es gab immer noch keine Barriere, dafür allerdings eine Art Zebrastreifen. Wo war die Mauer? In diesem Moment schlingerte ein dunkelroter Ford Fiesta in den Ort hinein, drehte sich stark bremsend fast auf der Stelle und drohte schließlich umzukippen. Am Steuer sah Harald einen kreidebleichen Mann, der ihn entsetzt anstarrte, als der Wagen in der Gegenspur zum Stehen kam. Was war hier nur los? Harald lief in Richtung des Ortseingangsschildes, dann drehte er sich um und rieb sich die Augen. Die Mauer
war wieder da. Langsam dämmerte ihm, welches Spielchen die Vorderföhringer trieben. Es musste sich um eine perfide optische Täuschung handeln, eine brachiale Form der erzwungenen Verkehrsberuhigung. Langsam ging Harald auf die Fata Morgana zu. Etwa 20 Meter vor der Stelle hatte er den Eindruck, dass die Steine der Mauer nach hinten wegkippten, dann waren sie in der Tat völlig verschwunden.Was blieb, war der angebliche Zebrastreifen, der offenbar so aufgemalt worden war, dass man als Einfahrender den Eindruck einer Mauer hatte. »Das ist ja lebensgefährlich«, schimpfte Harald und schaute hilfesuchend zu dem Ford-Fahrer. Der war jedoch schon weitergefahren. Kopfschüttelnd ging Harald zum Epremo zurück und setzte seine Fahrt vorsichtig fort.
    Vorderföhring setzte wohl auf konsequente Verkehrsberuhigung. Auf eine Geschwindigkeitsbegrenzung hatten die Dorfvorsteher verzichtet. Es war auch nicht nötig, weil die Durchfahrtsstraße mit Blumenkübeln gespickt war. Es gab auch nicht einfach abbiegende Seitenstraßen, stattdessen aber an jeder Straßenkreuzung einen Kreisverkehr, der zusätzlich durch fest verschraubte Hütchen zu einem Slalom-Parcours umgewandelt worden war. Mehr als zehn Stundenkilometer konnte man auf dieser Strecke unmöglich fahren. Hinter dem fünften Kreisverkehr endeten die Blumenkübel. Dafür gab es nun kleine Verkehrsinseln, mit denen die Fahrbahn verengt wurde. Gleich an der ersten Insel war ein blaues Schild mit weißem Pfeil befestigt, das den Verkehr rechts an der Barriere vorbeiführte. Als sich Harald aber der Stelle näherte, bewegte sich plötzlich die ganze Insel nach rechts, der Pfeil drehte sich und schickte den sprachlosen Harald
jetzt links vorbei. Der Platz war eng, denn dahinter tauchte nun auf der linken Seite gleich das nächste Eiland auf, das aber im letzten Moment nach rechts auswich. Harald meinte ein surrendes Geräusch und Gelächter zu hören. Nachdem er fünf solche Geisterinseln passiert hatte, stoppte ihn eine rote Fußgängerampel. »Wie sinnlos«, dachte Harald, der seit seiner Mauerdurchfahrt am Ortseingang nicht einen einzigen Vorderföhringer erblickt hatte. Die Ampel zeigte weiter Rot und machte keine Anstalten, das zu ändern. Harald schaute auf die Uhr, legte den Rückwärtsgang ein und rollte ein Stück zurück, um zu schauen, ob es vielleicht einen Anforderungskontakt in der Fahrbahn gab, den er nicht getroffen hatte. Als er einige Meter zurückgefahren war, schaltete die Ampel urplötzlich auf Grün. Kaum hatte Harald jedoch den ersten Gang eingelegt und wollte Gas geben, zeigte die Signalanlage schon wieder Rot. »Das war doch nicht mal eine Sekunde«, keuchte er. Wieder stand er vor der Ampel. Es passierte nichts. Nach einigen Minuten beschloss er, erneut zurückzusetzen. Das Spiel wiederholte sich. Die Grünphase reichte nicht, den Gang zu wechseln und wieder anzufahren. Nachdem er weitere vier Minuten vor der Ampel gestanden hatte, platzte Harald der Kragen, und er gab einfach Gas. Sollten ihn doch alle bayerischen Polizisten mal gerne haben. Kaum hatte er die Linie überfahren, gesellte sich zum Ampellicht ein weiteres Rot. Die Überwachungskamera war in einer
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